Coooo-eeee: Australien ist ja das Traumauswanderungsland vieler Europäer. Kommt Ihr überhaupt in die Schweiz zurück und für wie lange?
Oliver: Nun, es war ja immer unser Plan, nach einem Jahr Arbeiten und etwas Reisen wieder zurückzukehren. Wir haben die Wohnung in Bern behalten, und Jeannine ist bereits in China, wo sie mit ihren alten/neuen Chef zusammen eine Fabrik von ABF besucht. Deshalb: ja, wir gehen zurück und zwar am kommenden Samstag.
Habt Ihr mit dem Gedanken gespielt, länger zu bleiben?
Das haben wir in der Tat. Wir könnten es uns durchaus vorstellen, auch mal ein paar Jahre in Australien oder einem anderen Land zu leben. Auswandern würde ich das aber nicht nennen, das tönt so definitiv.
Und weshalb nicht gleich jetzt verlängern?
Es war von Anfang an alles auf diese 15 Monate ausgerichtet. Unsere Arbeitsverträge liefen nur bis November, und unser Auto konnte nur bis März 2011 in Australien bleiben. Da wollten wir natürlich davon profitieren, so lange es verfügbar war. Es schaukelt jetzt schon wieder der Schweiz entgegen.
Jeannines Arbeit war gut für ein Jahr, aber sie hätte den Vertrag nicht verlängert. Dann war auch unsere Wohnung in Bern befristet untervermietet. Und last but not least freuen wir uns auch darauf, unsere Freunde und Familie wiederzusehen.
Aussie & Aussies
Wie hast Du Eure Zeit in Australien erlebt?
Ich bin sehr positiv überrascht. Wir hatten ja schon länger mit dem Gedanken gespielt, einmal ein oder zwei Jahre im Ausland zu arbeiten, haben aber nie konkret etwas unternommen. Ich muss ehrlich sagen, dass wir uns ziemlich sicher nicht Australien dazu ausgesucht hätten. Jeannine und ich waren, unabhängig von einander, in den frühen 90er-Jahren in Australien gewesen und danach mehrere Male länger in Neuseeland, welches wir von den Menschen her als interessanter erlebten.
Dann bist Du mit gewissen Vorbehalten nach Australien gekommen?
Ich habe bewusst versucht, genau dies nicht zu tun, und offen zu sein für Kultur, Leute und Sitten. Während ich von früher den Eindruck mitgenommen hatte, dass sich die Australier im Allgemeinen nicht um den Rest der Welt kümmern und auch nicht viel darüber wissen (ganz im Gegensatz zu den Neuseeländern), musste ich mit Erstaunen feststellen, wie viele Australier, die wir kennenlernten, bereits in Europa waren oder sogar schon dort gearbeitet hatten.
Die Australier als poliglottes und weltgewandtes Volk also?
So weit würde ich nun auch wieder nicht gehen, und ich muss da auch vorsichtig sein. 1992 trat die Schweiz an der Weltausstellung in Sevilla mit dem Slogan auf, "La Suisse n'existe pas". Das hat damals viele Schweizer empört, weil sie den Sinn nicht erfassten, denn die Betonung lag auf dem "La", Die Schweiz. Dasselbe gilt auch für Australien. Es ist so vielgestaltig und vielschichtig, dass ich nach einem Jahr insgesamt nur wenig gesehen habe. Wenn ich im Folgenden Australien oder Australier sage, dann kann ich eigentlich nur über Melbourne und Victoria eine etwas fundiertere Aussage machen.
In Sachen Konsum ist Australien sicher ganz vorne dabei. Und "dank" der Globalisierung sind hier alle Weltmarken vertreten und bekannt. Australien hat sich ziemlich gut aus der Finanzkrise rausgehalten, die Löhne sind sogar gestiegen und der Nationalstolz zu recht auch. Letzterer ist allgegenwärtig und führt teilweise zu einer Blindheit, die man in der Schweiz und in den USA auch beobachten kann: was von aussen kommt, kann nichts sein. Dies vor allem, weil man nicht über den Tellerrand hinausschaut, bzw. das andere nicht besser kennt, oder weil es "immer schon so war". Overseas und Europe bedeuten in Australien oft nicht Rest der Welt, respektive Europa, sondern meist nur Grossbritannien, weil viele halt nur das kennen oder nur Studien von dort in Betracht ziehen. Jeannine könnte ein Lied davon singen.
Wer oder was interessiert die Australier dann vor allem?
Vor allem Australien und die Australier selbst. Die lokale Politik und Wirtschaft hat den grössten Stellenwert, etwa gleichauf mit Persönlichkeiten aus Sport, Politik und Gesellschaft. Die internationale Politik scheint nur insofern bedeutsam, als dass Australien betroffen ist. In The Age, der grössten Tageszeitung in Melbourne, bringen es die internationalen Neuigkeiten gerade mal auf drei Seiten von über fünfzig, und sogar dort geht es dann oft eher um Oprah Winfrey als um die Finanzkrise in der EU. Mittlerweile wird wirtschaftlich mehr auf Asien geschaut als auf die USA und Europa. Das ist auch klar, denn fast alle Güter des täglichen Gebrauchs kommen aus China.
Oft fand ich auch die Gewichtung von Themen schräg. In Melbournes meistgehörtem Radio, Radio 101.1, dominieren in den 07:00-Uhr-Nachrichten Schlagzeilen wie, "Two cats died in a house fire in Saint Kilda tonight", während am Tag zuvor der US-Dollar abgestürzt war, was unerwähnt blieb.
Fairerweise muss ich aber anfügen, dass sich Australien z.B. in Afghanistan militärisch überproportional stark engagiert und australische Soldaten dort ihr Leben verlieren.
Wie kann man Australiern eine Freude machen?
Indem man das Land rühmt, das kommt immer gut an. Ist in der Schweiz ja auch ein bisschen so. Wenn einem etwas nicht so gefällt, dann schweigt man aber besser und äussert sich über etwas, was einem wirklich gefallen hat, denn davon gibt es immer genug.
Und wie macht man Australiern keine Freude?
Wenn man ein Gespräch über die Aboriginees anreisst. Das ist ein so riesiges, ungelöstes Problem, wo alle hilflos sind und am liebsten nicht darüber sprechen. Ebenfalls keine Freunde schafft man sich, wenn man ein Witzchen macht, das auf die Strafkolonien vor 200 Jahren anspielt. Das ist etwa, wie wenn ein Deutscher in der Schweiz "zwanzig Fränkliii" sagt.
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