Mittwoch, 27. April 2011

Aussie Speak — Zugabe

In meinem letzten Blog-Eintrag habe ich ganz vergessen, die aktuelle australische Premierministerin, Julia Gillard, zu Wort kommen zu lassen.


Nun bin ich letzte Woche auf ein kürzliches Radio-Interview gestossen, in dem der Moderator, Alan Jones, sie auch kaum zu Wort kommen liess.



Download Interview

Was höre ich?
Ein eingespieltes Beispiel aus einer Diskussionssendung über Manieren im heutigen Australien (ABC National, AustraliaTalks)

Worauf achten?
Julia Gillard stammt aus Adelaide. Aber es geht hier weniger um ihren Dialekt als um die Tatsache, dass der Moderator sie mit "Julia" anspricht, während normalerweise "Prime Minister" oder allenfalls "Miss Gillard" verwendet wird. Auch fällt er ihr dauernd ins Wort. Sie weiss sich allerdings zu wehren.

Man stelle sich als Kontrast ein gesittetes Interview von Radio DRS mit Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey vor.

Generell kann man sagen, dass die städtischen Australier gut artikuliert sind, gezielt und fair diskutieren, und dass sie rasch auf den Punkt kommen. Sie werden von klein auf trainiert, andere von eigenen Ideen zu überzeugen. Holt man in einer Sitzung, in der Fakten diskutiert werden, etwas aus, so wird man schnell einmal aufgefordert, doch bitte auf den Punkt zu kommen, "can you cut to the chase, please?" (der Ausdruck stammt aus dem Film-Jargon, chase ist die Verfolgungsjagd).

Dienstag, 19. April 2011

Aussie Speak

Dass die Australier eine etwas eigenwillige Aussprache haben und teilweise eigene Wörter für Dinge verwenden ist mittlerweile allen bekannt. Arvo, Barbie, Billabong, Brekkie, Dinkum, Dunny, G'day, Joey, Jumbuck, Pommy, Simmo, Snag, etc. ist ein Vokabular, an das man sich zuerst gewöhnen muss, wobei diverse Web-Seiten helfen.

Dass die Australier mit praktisch geschlossenem Mund sprechen, damit keine Fliegen hineingeraten, kann ich nicht generell bestätigen. Aber wie tönt denn nun Australisch? – Diese Frage ist fast so schwierig, wie die Frage nach dem Schweizerdeutsch. Natürlich gibt es klare Muster, aber die variieren regional und von Familie zu Familie. Im Folgenden habe ich sechs mehr oder weniger typische Beispiele als Video- und Audiodateien zusammengetragen.

Hinweis für Leser, die eine Email-Benachrichtigung dieser Seite lesen: ich kann nicht vorhersagen, wie sich dieser Blog-Eintrag in Bezug auf die referenzierten Audio-Datein verhält. Im Zweifelsfall musst Du den Eintrag direkt auf der Webseite lesen.

Zuerst zwei Fernsehreklamen der ANZ-Bank, welche für besonders freundliche Kundenbetrerung werben. Bei der ersten einfach einmal zuhören.

Video 1 auf Youtube ansehen.

Welche Sprachmuster kannst Du im folgenden Video erkennen?

Video 2 auf Youtube ansehen.

Die Antworten befinden sich ganz unten auf der Seite.

Nun vier Interviews aus Radiosendungen, die von relativ wenig sprachlicher Kolorierung zu immer stärkerer "Färbung" gehen.



Download Interview 1

Was höre ich?
Ein Ausschnitt aus einer Diskussionssendung zur Zunkunft von eBooks (ABC National, AustraliaTalks)

Worauf achten?
Einfach mal zuhören und zu verstehen versuchen. Welche Sprechmuster aus Video 2 erkennst Du?




Download Interview 2

Was höre ich?
Ein Ausschnitt aus einem Interview mit Prof. Peter Mitchell über die kürzliche Entdeckung des Grabes des Buschpolitikiers und Aborigenee Bennelong (Radio ABC National, Hindsight)

Worauf achten?
Das "that's exactly right" als Antwort auf eine Frage.
Das here, welches wie das Deutsche "hia" klingt.
Das sehr weiche "th" der Sprecherin, das in Wörtern wie website oder hindsight fast tönt wie das Deutsche "sch". Das ist sehr typisch vor allem für Frauen.




Download Interview 3

Was höre ich?
Ein Ausschnitt aus einem Interview mit einem Lokomotiven-Restaurateur in Tasmanien (ABC Rural Reporter, Loco engine overhaul)

Worauf achten?
Das "i" in Wörtern wie cylinder und drill wird ähnlich wie das Hochdeutsche "ü" ausgesprochen.
Wiederum das here, welches wie das Deutsche "hia" klingt.
Day wird nicht wie das Berndeutsche "ei" sondern wie "äi" gesprochen. Sehr typisch Australien.
Hour ist nicht wie das Hochdeutsche "auer" sondern wie "eea" ausgesprochen.




Download Interview 4

Was höre ich?
Ein Ausschnitt aus einem Interview mit einem Farmer aus Queensland, der 140 alte Traktoren besitzt (ABC Rural Reporter, A super lot of tractors)

Worauf achten?
Das "i" in Wörtern wie time und like wird wie das Deutsche "oi" gesprochen.
Das ist richtiger Outback-Englisch-Sing-Sang. Durch die Nase schnell und für Ungeübte recht undeutlich gesprochen. Wer hier auf Anhieb alles versteht, ist für Reisen abseits der australischen Städte prädestiniert.


Antworten zu Video 2
Der britisch-englische Laut, der klingt wie 
  • das Berndeutsche "ei", wird in Australien meist als "äi" ausgesprochen: late, waste, waiting, complaint, go away (Beispiele aus dem Video)
  • das Hochdeutsche "ei", wird oft als "oi" ausgesprochen: sign you up, my, I
  • das Hochdeutsche "a", wird meist als "ä" ausgesprochen: half, asked, department
  • das Hochdeutsche "e" (z.B. Zelt), wird oft wie ein "i" (Zilt) ausgesprochen: whatEver
Die beiden letzten Punke kommen in Video 2 nicht sehr deutlich hervor, aber achte in den Radio-Interviews darauf.

Mittwoch, 13. April 2011

Tipps zum Wohnen und Arbeiten in Australien

In einem anderen Land leben, wohnen und arbeiten ist anders. Anders als zuhause und auch anders als im selben Land zu reisen. Der Aufenthalt hat mehr Tiefe und mehr Breite. Gewissen administrativen Abläufen, Mustern, Bräuchen und Eigenheiten kann man sich nicht entziehen wie das dem Reisenden möglich ist. Was ich in unserem Fall ohne weiteres Nachdenken sagen kann, ist, es hat sich gelohnt, auch wenn wir wenig Bedenkfrist und Vorbereitungszeit hatten. In dem Sinn kann ich allen empfehlen, zuzugreifen, wenn sich die Gelegenheit bietet; dafür zu arbeiten, einen längeren Auslandaufenthalt möglich zu machen; grosse Kompromisse einzugehen.


Im Folgenden versuche ich, die Quintessenz von dem, was eher unerwartet auf uns zukam zusammenzufassen. Es gibt jede Menge Literatur und Webseiten zum Thema (empfehlenswert: www.swissemigration.ch), sodass ich auch nicht versuchen muss, irgendwie vollständig zu sein. Die meisten der folgenden Aussagen gelten so auch für Wohnen und Arbeiten in vielen anderen Ländern, nicht nur in Australien.

Dies ist ein etwas längerer Blog-Eintrag, also jetzt zuerst eine frische Tasse Kaffee oder Tee holen.

Ds Füfi u ds Weggli
Eines ist klar: die wenigsten werden beides kriegen. Die berufliche Karriere in der Schweiz wird mindestens zeitweise auf Eis liegen; der Lohn im Ausland wird höchstwahrscheinlich tiefer sein; Wohnung oder Haus in der Schweiz wird man aus finanziellen Gründen untervermieten oder aufgeben müssen; der Kontakt zu vielen Freunden zuhause wird sich etwas abschwächen; der persönliche Komfort kann leiden; etc. Im Gegenzug erhält man unbezahlbare Erlebnisse und Erfahrungen, die einem niemand mehr nehmen kann.


Sicherheit
Als der Welt bestversichertes Volk muss man als Schweizer fast zwingend Sicherheit aufgeben. Niemand garantierte mir einen Job; Erwerbsausfall lässt sich oft nicht versichern — entweder weil das fremde System anders funktioniert, oder weil man dort noch nicht berechtigt ist; je nach Land ist die politische Situation unstabil oder die Kriminialität höher (für Australien traf keines der beiden zu); etc.


Visum
Auch in Australien gibt es das Huhn—Ei-Problem: kein Job ohne Visum, kein Visum ohne Job (ausser illegales Beerenpflücken, Haushalthilfe, etc.). Hier lohnt es sich, sorgfältig zu recherchieren und genau zu wissen, worauf man sich einlässt, falls man ohne Arbeitsvisum einreist, aber die Idee hat zu arbeiten. Monatlich bewerben sich in Australien zehntausende Ausländer um ein Arbeitsvisum. Geht man als Paar, ist es ratsam, dass sich der besser qualifizierte Partner für ein Arbeitsvisum bewirbt, und dass der andere unter einem Partner-Visum (spouse visa) ins Land kommt. Wer von beiden mehr Chancen hat, kann man im skilled-immigration-points test einfach herausfinden. In unserem Fall hat sich der Beizug eines immigration agent durch Jeannines Arbeitgeber sehr gelohnt.

Wie lange?
Aus unserer gemachten Erfahrung ist die Antwort relativ eindeutig: entweder man bleibt gerade unter 12 Monaten und meldet sich in der Schweiz nicht ab. Oder man meldet sich ab und bleibt gerade zwei Jahre. 15 Monate wie in unserem Fall sind im organisatorischen Aufwand—Ertrag-Verhältnis eher schlecht. Hier sind einige Gründe:
  • Rückflugtickets lassen sich auf maximal 12 Monate hinaus buchen. Darüber muss man zwei teurere einfache Tickets kaufen.
  • In der CH abgemeldet, habe ich keine Schweizer Unfallversicherung mehr gefunden, die mich nach Ablauf der Abredeversicherung weiter versicherte; die Krankenkassen können einen auch über 12 Monate hinaus weiterversichern, was die Regel scheint. Und da meines Wissens ausser der CH kein Land die blöde Unterscheidung in Kranken- und Unfallversicherung macht, kann man sich im Ausland dann nicht nur für letzteres versichern (dort wird einfach health care angeboten, welche alles umfasst). SIP war für mich die Lösung.
  • Egal ob es ein Doppelbesteurungsabkommen zwischen der Schweiz und dem Zielland gibt, man muss sich damit befassen, was mit der Steuerpflicht in beiden Ländern gilt. Und man wird wahrscheinlich an beiden Orten eine Steuererklärung ausfüllen (lassen) müssen.
  • Die meisten Länder haben eine Pensionskasse; auch hier muss man verstehen, wie das funktioniert, und ob man nach der Rückkehr in die CH das angehäufte Guthaben zurücknehmen kann.
  • Ab- und Wiederanmelden von Telefon, Mobil-Abo, Internet, TV, etc. ist je nach Vertrag kostspielig und zeitaufwändig (unüberschaubares Angebot, nicht vergleichbare Bedingungen, technische Schwierigkeiten, etc.). Das ganze findet dann im Zielland gleich nochmals statt.
  • Abmelden, Wiederanmelden, Einstellen und Warten von Fahrzeugen.
  • Hausrat- und Haftpflichtversicherungen im Zielland.
  • Temporär importierte Fahrzeuge können maximal 12 Monate in Australien bleiben (siehe unten).
  • Umleitung der Post an eine andere Adresse in der Schweiz kostet ab dem 13. Monat CHF 20 pro Monat.
Sprache
Hier gibt es mehrere Ansätze:
  • man spricht die Sprache gut und springt einfach ins kalte Wasser
  • man spricht die Sprache praktisch nicht und besucht im Zielland mindestens zwei Monate eine gute (sprich: strenge!) Schule bevor man die Arbeit aufnimmt
  • man eignet sich bereits in der Schweiz Basiskenntnisse an und besucht im Zielland zuerst eine Schule
Aus eigener Erfahrung würde ich die dritte Lösung nicht wählen: in der Schweiz eine Sprache mit Abendkursen, Hausaufgaben, etc. zu lernen ist langwierig, teuer und macht weniger Spass als im Zielland gleichzeitig Sprache und Kultur einzusaugen und gleich anzuwenden.


Wohnung untervermieten?
Diesmal hatten wir etwas Pech, aber die ersten zweimal, 2000 und 2006, waren problemlos. Grundsätzlich kann man wohl sagen, dass es umso schwieriger ist, überhaupt einen Untermieter zu finden, je teurer die Wohnung ist. Es war immer eine Zitterpartie, bis wir einen Untermieter hatten. Geht man zwei Jahre weg, lohnt es sich wohl meistens, die Wohnung einfach zu kündigen.


Eigenes Fahrzeug
Ob es sich lohnt, sein eigenes Fahrzeug mit nach Australien zu nehmen, hängt ganz wesentlich vom Fahrzeug ab. Wenn man ein ähnliches und ähnlich ausgerüstetes Fahrzeug auch in Australien kaufen oder innert nützlicher Frist aufbauen kann, dann lohnt es sich nicht. Ein Fahrzeug permanent nach Australien zu importieren ist mehr als ein administrativer Hürdenlauf, zudem fährt man dort auf der falschen Seite. Ein temporärer Import, wie wir das gemacht haben, ist teuer und auf 12 Monate begrenzt (hat sich für uns aber trotzdem sehr gelohnt).


Sozialer Anschluss
Im Zielland hat niemand auf einen gewartet. In vielen Ländern kommt man vielleicht über die Arbeitsstelle zu sozialem Anschluss in der Freizeit, aber in Melbourne war dies nicht so einfach, weil die Leute Arbeit und Freizeit ziemlich klar trennen. Clubs sind eine hervorragende Möglichkeit, sich mit den "Eingeborenen" ;-) zu integrieren — dort lernt man sie bei dem kennen, was sie am liebsten tun, und sie sind dementsprechend offen gegenüber anderen mit gleichen Interessen.


Vorbereitung
Fast übe jedes Land gibt es nicht nur Reiseführer, sondern auch Bücher über Kultur und Mentalität, z.B. Culture Shock! Australia: A Survival Guide to Customs and Etiquette. Aber für Australien hat mir das Hörbuch von Bill Bryson, In a Sunburned Country (englisch) am besten gefallen. Ich kann es immer wieder von neuem hören. Danke Gaby.

Spezifische Fragen beantworte ich gerne als Kommentare auf der Webseite zu diesem Blog-Eintrag.