Montag, 26. Juli 2010

Ballspiele Teil 2 — Aussie Footy

Sport geniesst bei den Aussies einen hohen Stellenwert — fast mehr noch als Zuschauer denn als Aktive. Die beliebteste Sportart in Melbourne ist zweifellos das Australian-Rules Football, kurz Footy, das ich ja bereits kurz eingeführt hatte.

Footy wurde als Ersatzspiel für die Cricketer während der Winterpause entwickelt, und zwar bereits 1859. Footy hat auf den ersten Blick etwas eigenartige Regeln, die mit dem "normalen" Fussball nichts zu tun haben:
  • Das Spielfeld ist wie beim Cricket oval und flächenmässig mehr als doppelt so gross wie ein normales Fussballfeld.
  • Der Ball ist eierförmig aber weniger spitzig als beim Rugby. Er darf gekickt, gefasst und getragen, jedoch nicht geworfen sondern nur mit der Faust weggeboxt, werden. Während dem Laufen muss er spätenstens alle 15m geprellt werden wie beim Basketball.
Daraus ergibt sich ein Spiel, das einiges schneller ist als Fussball (sic!) — und ich fand es erst noch attraktiver zum Zuschauen. Fouls gibt es selten, simuliert wird nie, und wenn einer aus der Nase blutet, dann wird er ohne Aufhebens ausgewechselt. Gelbe und rote Karten gibt es nicht. So geht das!

Beim Anspiel und nach einem Goal bringt der Head-Schiedsrichter den Ball dadurch ins Spiel, dass er ihn mit voller Kraft auf den Boden schleudert. Durch die eierform ergibt sich eine Zufälligkeit in der Flugbahn.


Auf dem Feld sind zweimal 18 grosse, kräftige Spieler in ärmellosen Trikots; Goalie gibt es keinen. Es werden 4x(20 Minuten plus Nachspielzeit) gespielt. Ziel ist es, den Ball zwischen die mittleren zwei Stangen des Gegners zu bringen, was 6 Punkte einträgt. Aussen gibt es 1 Punkt.


Collingwood gegen St. Kilda, 15x6+10x1=100, 6x6+16x1=52

Wer den gekickten Ball aus der Luft fängt, ist "immun" und darf vom Gegner nicht berührt werden. Innerhalb 50 m vom Goal kommt das einem Fussball-Penalty gleich, ausgeführt im Stil eines Fussball-Goalie-Auskicks.


Wer auf andere Art in Ballbesitz gerät, darf wie beim Rugby "getackelt" (d.h. zu Boden gerissen) werden, woraus oft eine "Kreuzbeige" von Spielern entsteht. Verlässt der Ball das markierte Spielfeld, wird er vom einem Schiri wieder eingeworfen, und zwar rückwärts, damit es keine Bevorteilten gibt.



Eine weitere Besonderheit sind die Runners, welche Anweisungen (z.B. Spielerwechsel) vom Coach übermitteln, und zwar während das Spiel im vollem Gange ist.


Das Spiel fand im Melbourne Cricket Ground (MCG, oder kurz the "G") statt. Das Stadion fasst 100'000 Zuschauer, die nicht nach Mannschaften getrennt sind — Hooligans gibt es keine. Die Fans gehen ab der ersten Minute mit.

 81'386 Zuschauer

Mehr über Footy z.B. bei Wikipedia (englisch), mehr übers Stadion und den dress standard (ja, ja, nur richtig gekleidet gibt's Einlass) in Jeannines Blog-Eintrag.

Freitag, 16. Juli 2010

Way to work — Teil 5: Der Lift

Die Bourke Street (ausgesprochen wie wenn das "o" nicht da wäre) führt mich grob in westlicher Richtung leicht hangaufwärts. Zwischen Swanston St. und Elisabeth St. ist sie eine Fussgängerzone. Auf der rechten Seite ist das ehemalige General Post Office (GPO), ein wunderbares grosses Gebäude, das vor allem teure Modegeschäfte beherbergt. In der Distanz, links, ist bereits "mein" 41-stöckiges Hochhaus zu erkennen.


Der weitere Weg ist von Platanen gesäumt. Motorräder dürfen (fast) überall abgestellt werden — Ducatis sowieso :-)


Die Eingangshalle von 140 William Street (der high riser wurde 1972 fertiggestellt und war damals das höchste Gebäude von Melbourne) ist kühl, das Interieur im Stil der 60er-Jahre. Im Café Cocoa Bean, im Hintergrund, sind wir Stammgäste (die Sticky-Date-Muffins sind Weltklasse!).


Insgesamt hat das Gebäude 16 Lifte, die eine Hälfte davon geht nur bis zum 25. Stock, die andere Hälfte bedient ab dem 26. Stock.


Es ist entbehrt nicht einer gewissen Ironie: die Lifte sind die besten, die ich schon erlebt habe, jedoch ist nirgends der Name des Herstellers zu finden. Normalerweise ist es ja umgekehrt: grosses Logo aber Sch...produkt. Was macht denn einen Lift gut? – Nun, er ist schnell, die Türen schliessen und öffnen schnell und genau im richtigen Zeitpunkt. Und vor allem kann dieser Lift das, was ich mir schon immer gewünscht hatte: in die Zukunft sehen. Er ist immer schon da, wenn man ihn braucht — fast wie im Hitchhiker's Guide to the Galaxy,  nur das dieser Lift weder Höhenangst noch Depressionen hat.

Beim Ausstieg grüsst micht die Veda Reception mit Aussicht über die West-Gate-Bridge. G'day!

(Klicken für Vergrösserung)

P.S. Die hier vorgestellte Route durch den CBD ist natürlich nur ein möglicher Weg ins Büro, aber zugegebenermassen der schönste.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Way to work — Teil 4: Arkaden

Nach dem Überqueren der Flinders Street geht's zuerst durch die Campbell Arcade, wo sich ein Café ans andere Reiht und die Leute unter den schwarzen Sonnen-/Regenschirmen cooked breakfast essen, sprich Eier mit Speck und so. Ausser im "Winter" hat es hier jeden Tag eine Gruppe Radfahrer, die aussehen, als hätten sie schon etwas hinter sich und müssten jetzt die Speicher füllen.


Am Centre Place, der eher eine Gasse ist, das gleiche Bild: Café um Café, und Leute am Essen.


Hier kaufe ich manchmal ein "BLT"-Sandwich für den Lunch — Bacon-Lettuce-Tomatoes. Als nächstes durch den Centre Way zur Collins Street.



Bei den roten Storen links ist der Lindt & Sprüngli. Und jetzt geht's hinein in eine der weltbekannten viktorianischen Arkaden von Melbourne, die Block Arcade.




Bei Tea Room Hopetoun hat es tägliche leckerste Confiseriewaren ausgestellt. Dann noch mehr Cafés.


Die Kellner sind stets gut aufgelegt und reden mit einem, wenn man vorbeigeht. Nun über die Little Collins Street und durch ein weiteres Highlight: die Royal Arcade.



Gegen Abend ist es hier belebt.

(Aufs Bild klicken für Vergrösserung)

Die Arkaden sind zu Lädele noch komfortabler als Berns Lauben; im Winter warm, im Sommer klimatisiert.

Nun trete ich auf die Bourke Street hinaus und biege links ab. Die Zielgerade stelle ich morgen vor.

Mittwoch, 14. Juli 2010

Way to work — Teil 3: Flinders Street Station

Mein Metro-Surf-Ride endet in der Flinders Street Station, einer der zwei grossen Bahnhöfe von Melbourne. Die Flinders St. Station liegt gleich nördlich vom Yarra River und markiert den Süden des Central Business District, CBD.



Sie ist eine Ikone von Melbourne und findet sich auf vielen Postkarten. 1909 fertiggestellt und 1992 um eine unglückliche Halle hinter dem Eingangsportal erweitert, wurde sie wohl mehrfach etwas aufgemotzt, kann aber in keiner Weise mit modernen europäischen Bahnhöfen mithalten. Trotzdem, als Gebäude ist sie reizvoll und einmalig.



Bevor ich mich nach dem Verlassen der Metro an der schönen Aussenfaçade der Flinders erfreuen kann, muss ich durch die "Katakomben", vorbei am Billetkontrollautomat wie in Paris, wo nie im voraus ersichtlich ist, welche Porte heute mein Abo lesen will und welche nicht. Hinter den Gates stehen am Morgen immer eine Menge Bahnangestellte, deren genaue Funktion sich mir immer noch erschliesst. Schauen sie nur, dass sich niemand durchmogelt? Kontrollieren sie Fahrausweise? Überwachen sie die Automaten? Das Auskunft-Geben kann es nicht sein, denn meine bisherigen zwei Fragen konnten sie nicht beantworten.



Aus der Unterwelt aufgetaucht, gilt es, die Flinders Street zu überqueren. Auch hier hat es noch den einen oder die andere, die auch zur Arbeit müssen.


Dies ist die einzige Kreuzung, die ich in Melbourne kenne, die einen vollen Fussgängerzyklus haben. Das heisst, alle Fussgänger gehen, alle Autos warten.

Das war der Pflichtteil meines Wegs, als nächstes kommt die Kür.

Way to work — Teil 2: Metro

Den zweiten Teil der täglichen Reise lege ich im metropolitain train zurück. Im Gegensatz zu anderen grossen Städten verkehrt die Melbourne Metro die meiste Zeit über Boden.


Um aufs Perron zu gelangen, muss man beim Eingang das Ticket einschieben und entwerten lassen.


"Strafandrohung im Zuwiderhandlungsfalle", würde das wohl im Amtsdeutsch heissen. In gut drei Monaten habe ich im Zug selbst noch nie einen Kontrolleur erlebt.

Auf Betätigung des grünen Knopfs ertönt aus dem kleinen Lautsprecher eine männliche Stimme und kündet die nächsten drei Züge an, und zwar nicht nach Fahrplan sondern effektiv. Das macht sich auch das Stationspersonal zu Nutze, drückt alle paar Minuten den Knopf und hält das drahtlose Mikrofon an den Kasten, worauf die Stimme dann aus allen Lautsprechern ertönt.


In der Regel sind die Züge recht pünktlich, es fallen aber immer wieder Züge aus, denn das Rollmaterial ist ziemlich alt. Das hat dann zur Folge, dass im nächsten Zug doppelt so viele Leute mitfahren wollen. Das war natürlich auch schon bei den vorangehenden Stationen der Fall, sodass einsteigen manchmal unmöglich ist.


Während der Fahrt wird kaum gesprochen. Die meisten haben weisse Stöpsel in den Ohren, lesen ein Buch, "facebooken" oder twittern. Wenn der Wagen voll ist, kann es vorkommen, dass man in der Mitte steht, wo keine Haltegriffe vorhanden sind. Das ist dann wie surfen – der "tube ride" dauert 9 Minuten (die Metro heisst aber hier nicht wie in Londen tube sondern eben metro).

Am Abend auf der Rückfahrt hat es oft noch andere Leute, die auch wieder mit der Metro nach Hause wollen. Nochmals 9 Minuten surfen.

Montag, 12. Juli 2010

Way to work — Teil 1: Greville St.

Nachdem Jeannine bereits im Februar ihren Arbeitsweg vorstellte, ist es allmählich an der Zeit, dass ich nachziehe.

Mein Arbeitsweg ist ca. 30 Minuten lang, sehr abwechslungsreich, und er ist mehr als einen Blog-Eintrag wert. Ich werde diese Woche jeden Tag einen Abschnitt vorstellen — viele Bilder, wenig Text ist das Motto. Let's go!

Zwei Minuten nachdem ich unsere Wohnung zu Fuss verlassen habe, biege ich in die Greville Street ein. Sie ist eine meiner Lieblingsstrassen in Melbourne. Sie ist etwa hundert Jahre alt und ein eklektischer Mix aus trendigen Modegeschäften, Cafés, Bars, Plattenläden, Restaurants, etc.




Leider ist die Greville Street (noch) keine Fussgängerzone. Sie ist wohl trendig, aber noch nicht chic und immer noch bodenständig.




Einige der Häuser und Geschäfte sind in der Zeit des Art-Deco-Baustils entstanden (ca. 1910 bis 1940). Wenn man dessen typischen Elemente erkennen kann, gibt es einiges zu entdecken.


Nach etwa 400m komme ich zum Station Hotel neben dem Bahnhof von Prahran.


Ginge ich nach dem Bahnübergang noch 100m weiter der Greville Street entlang, kämen die ersten Villas, die bekannten viktorianischen Häuschen und Häuser mit ihren gusseisernen Verzierungen, den Verandas und dem Wellblechdach.



P.S. Im Moment ist es nicht mehr so grün wie auf einigen Bildern.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Zeitreise

346 km nördlich von Melbourne, bei Swan Hill am Murry River, trafen wir vor gut zwei Wochen auf das ländliche Australien. Eine wahre Zeitreise!


Die Hauptstrasse von Horseshoe Bend versetzt einen mindestens 50 Jahre zurück. Hier gibt es noch den Sattler, die Druckerei, das — zugegeben etwas altmodische — Kleidergeschäft, und natürlich den General Store (Krämerladen).



Sogar zwei richtige Olditmer waren an diesem Tag unterwegs.



Der Traktor ist ein echtes Unikum aus Deutschland. Mit nur einem Zylinder von über 10 Litern Hubraum, tönt der Motor eher wie eine Dampfmaschine denn wie ein Dieselmotor. Und angelassen wird er mit einem Gasbrenner und dem Steuerrad, das man seitlich hineinsteckt und den Kolben langsam hin- und herbewegt, bis der Motor schliesslich zündet.


Spätestens in der Apotheke wird es aber augenfällig, dass es sich um ein Museum im Ballenbergstil handelt, jedoch nicht ganz mit der gleichen Perfektion. Und das ist gut so, denn ganz Horseshoe Bend sieht für den Besucher sehr authentisch aus, als wären die Bewohner eben kurz weggegangen.