Sonntag, 29. März 2015

Reisejournal in Englisch

Dieser Blog ist ganz bewusst kein online-gestelltes Reisetagebuch. Erstens, weil ich keines schreiben mag. Und zweitens, weil ich als Blog-Leser nur wenige interessante oder unterhaltende Blogs kenne, die in chronologischer Reihenfolge über die Reiseerlebnisse berichten.


Nun haben wir hier in Australien aber oft interessante und interessierte Leute oder Reisende getroffen, die uns geholfen haben und/oder die verfolgen möchten, wie es uns im Weiteren ergeht. Doch eigenen sich unsere bestehenden Blogs dazu nicht, erst recht nicht, wenn man Google Translator zuhilfe nimmt.

Deshalb hat Jeannine vor ein paar Wochen beschlossen, ein in Englisch verfasstes Reisejournal mit vielen Bildern zu führen, das unsere Reise und die besuchten Orte und Sehenswürdigkeiten beschreibt. Sie will alle 2-3 Wochen einen Eintrag machen.

Wer sich dafür interessiert, kann sich dort für Email-Updates registrieren, und sei es nur wegen der Bilder. Letztere werden übrigens nicht mit der Mail verschickt, sondern erst beim Lesen geladen.

Achtung: nach der Registrierung für Email-Updates erhält man eine Email, in der man einen Bestätigungslink anklicken muss, um die Registrierung abzuschliessen. Sonst bleibt die Registrierung in der Schwebe, und es werden keine Updates versendet.

Freitag, 27. März 2015

Interstate Quarantine

Warum die Quarantänebehörde auch innerhalb Australiens aktiv ist • Welche Regeln für Reisende gelten • Wie wir unseren Kürbis trotzdem nach WA einführen durften • Was die Bedeutung von Regionalen Exclusion Zones ist

Dass die Quarantänebehörde bei der Einreise nach Australien ein gewichtiges Wörtchen mitredet, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Zu viele Pflanzen und Tiere, die teilweise enorme Schäden anrichteten — und immer noch anrichten —, kamen bereits ins Land. Jährlich werden hier Hunderte von Millionen Dollars für die Bekämpfung von eingeschleppten Arten ausgegeben, die oft die endemischen Arten verdrängen. Füchse, einst zum Jagdspass eingeführt, räumen Vogelnester aus und haben schon viele Arten von kleinen Beuteltieren auf dem Gewissen. Von Asien eingeschleppte Pflanzenkrankheiten und Insekten verderben ganze Ernten, was durch die riesigen Monokulturen geradezu provoziert wird. Es ist also verständlich, dass die Behörden versuchen, Schädlinge gar nicht erst ins Land zu lassen. Unser Reisemobil kann ein Lied davon singen.

Interstate Quarantine

Etwas weniger bekannt ist, dass alle australischen Teilstaaten eigene Quarantänebehörden unterhalten um zu verhindern, dass Schädlinge interstate weitergereicht werden. So stellen Staatsgrenzen immer auch Quarantänegrenzen dar, an denen es Quarantine Checkpoints gibt. Die australische Quarantänebehörde hat für Reisende innerhalb des Landes ein kleines … äh …Handbuch von 20 Seiten zusammengetragen:


Auf der ersten Seite gibt es einen wohlmeinenden Hinweis, «Use this simple guide […]. It will help you check what you can and can’t take across state and quarantine borders».  Weiter unten machen wir die Probe aufs Exempel!

Damit der Text im Folgenden nicht zu sperrig wird, wollen wir kurz die acht Teilstaaten und deren Abkürzungen durchgehen … und dabei davon absehen, dass das Northern Territory und das Australia Capital Territory technisch gesehen gar keine Staaten sind, und dass das ACT sehr klein und komplett von NSW umschlossen ist … Also: WA, NT, SA, QLD, NSW, ACT, VIC, TAS.




Quarantine Checkpoint

Quarantine Checkpoints sind zollähnliche Kontrollstellen an Strassen, See- und Flughäfen. Einige sind permanent besetzt, an anderen werden nur Stichproben durchgeführt. Bei letzteren wird man auf grossen Warnschildern dazu aufgefordert, verbotene Produkte in einen Container zu werfen; kontrolliert wird allenfalls später. Die Strafen bei Übertretungen sind happig.

Der Checkpoint vor Eucla für die Einreise nach WA

Die Regeln

Nun ist es wegen der sehr unterschiedlichen klimatischen und biologischen Bedingungen in den jeweiligen Staaten nicht einheitlich, welche biologischen Produkte in welcher Form von welchem Staat in welchen gebracht werden dürfen. Das ergibt eine “lustige”, dreidimensionale Matrix {von Staat, nach Staat, Produkt}, die in dem Handbuch als eine Serie von zweidimensionalen Tabellen abgebildet ist.

Will man also z.B. Pflanzen nach NSW ("nach Staat") einreisen, dann kommt es darauf an, woher man einreist und was man genau mitführen will:


Dabei bedeutet das gelbe Warndreieck: man braucht ein Permit, ein Certificate oder muss detaillierte Informationen über das Produkt vorlegen; praktisch bedeutet das für den nicht kommerziellen Benutzer so viel wie: “X” (nein).

Die Anwendung des praktischen Ratgebers

Vor zwei Wochen wollten wir von SA nach WA einreisen und am Quarantine Checkpoint keine Früchte oder Gemüse wegwerfen. Was durften wir legal mitführen?


Zur Erläuterung:

  • Die Tabellenzeilen sind von oben nach unten zu lesen. Ist ein Produkt, das man mitführen möchte, nicht erlaubt, dann kann man es vielleicht in einer anderen Form trotzdem einführen.
  • F&V steht für Fruit and Vegetables
  • F&V (fresh) — hier sind nur die aufgezählten Ausnahmen erlaubt, alles andere ist faktisch verboten
  • F&V (frozen or commercially dried & packaged) — ist bei strikter Anwendung der mathematischen Regeln klar: entweder sind die Produkte tiefgekühlt (selbst oder kommerziell), oder sie wurden kommerziell getrocknet UND verpackt. 
  • F&V (cooked) — das ist der Ausweg für alle, die keinen Tiefkühler aber noch Früchte und Gemüse haben, die sie nicht mehr vor dem Passieren der Quarantäne-Grenze verzehren können: kochen oder einkochen.

Es war also nicht allzu schwierig festzustellen, dass wir unseren übrig gebliebenen Kürbis einfach schälen und kochen und so über die Staatsgrenze nehmen konnten. Gesagt, getan. Der Kontrolleur, der in unserem Reisemobil jede Schublade und natürlich auch den Kühlbox inspizierte, war mit unserer Interpretation der Regeln einverstanden.

An dieser Stelle muss ich der Behörde ein Kompliment aussprechen, dass sie die vorliegende Ausgabe 2014 des Handbuchs gegenüber der Ausgabe 2011 stark vereinfachte und überhaupt erst verständlich machte. Die Ausgabe 2011 schaffte nämlich mehr Unklarheit als Klarheit. So waren dort allein “F&V” noch mit acht (!) Zeilen vertreten und unter Missachtung der einfachsten Logikregeln formuliert gewesen. (Auf die Ausgabe 2014 war ich übrigens nur gestossen, weil ich für diesen Blog-Eintrag recherchierte und mir bezüglich unseres Kürbis keinen Reim aus der Ausgabe 2011 machen konnte).

Exclusion Zones

Hat man einmal begriffen, welche Produkte in welcher Form legal von Staat A nach Staat B gebracht werden dürfen, dann ist dies leider noch nicht das Ende der Fahnenstange. Es gibt nämlich in allen Staaten noch Gebiete, für die besondere Regeln gelten. Gut föderalistisch heissen diese Gebiete in NSW wahlweise Exclusion Zone, Pest Free Area oder Protected Area, in WA Area oder Region, in VIC Control Area, Protection District oder Zone, etc. WA kennt gleich fünf dieser Zonen, z.B. die Ord River Irrigation Area. Allerdings sind diese Zonen vor allem für kommerzielle Transporte von Bedeutung.


Zum Schluss

Alles klar? — Alles klar! Oder etwa doch nicht? Blättert man nämlich in der beschriebenen Broschüre auf die hintere Umschlagseite, dann heisst es da in sechs (!) Sprachen pauschal und drohend:

«Do not take fruit, vegetables, plants or flowers across State and quarantine borders. PENALTIES APPLY.»

Was nun? Gar keine Früchte, Gemüse, Pflanzen oder Blumen? — Dieses Überbleibsel aus der Ausgabe 2011 wird hoffentlich mit der nächsten Ausgabe korrigiert werden!

For more information, visit the website www.quarantinedomestic.gov.au or telephone Freecall 1800 084 881

Montag, 16. März 2015

OneSteel, Whyalla, SA

Wie aus Eisenerz Einsenbahnschienen und Schiffe werden • Warum dazu Steinkohle benötigt wird •  Für wen die Produkte aus Whyalla bestimmt sind • Woher Whyalla das Trinkwasser bezieht

Da Australien auf einem grossen Teil der Bodenschätze der Erde sitzt, gibt es eine entsprechend grosse Minen- und Erzverarbeitungsindustrie. Einige der Minen und Werke kann man besichtigen.

Bereits ab 1899 wurde in Iron Knob Eisenerz mit sehr hohem Eisenanteil geschürft. Es dauerte aber bis zum Zweiten Weltkrieg bis in Whyalla (ausgesprochen "uii-alla", siehe den Link rechts vom Originalpost), 54 km SE von Iron Knob, eine leistungsfähige Eisenhütte mit Stahlwerk in Betrieb genommen wurde.

Die ursprüngliche Eisenerzmine von Iron Knob


Zeitgleich wurde unmittelbar daneben eine Werft für Kriegsschiffe eröffnet, die einen Grossteil des Stahls verarbeitete. Die Werft ist seit langem wieder geschlossen, aber die Stahlproduktion und -verarbeitung läuft unter dem Namen OneSteel bis heute, resp. wurde kürzlich sogar modernisiert. OneSteel beschäftigt 3'000 Mitarbeiter und verarbeitet 1.8 Mio Tonnen Eisenerz im Jahr.

Hafen von Whyalla. Im Hintergrund das Werk von OneSteel.

Im Hafen von Whyalla wird neben dem produzierten Stahl auch rohes Eisenerz verladen, zumeist nach China (5.1 Mio Tonnen pro Jahr! Wieso das rentiert, resp. warum nicht gleich Stahl exportiert wird, konnte mir niemand erklären). Dann gibt es auch noch etwas Tourismus.

So wie Leigh Creek nur existiert, weil seine Braunkohlenmine rentiert, wäre Whyalla nur noch eine Geisterstadt, wenn OneSteel die Tore schliessen würde. Whyalla ist mit ca. 15'000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt von South Australia (der grössten war der vorangehende Eintrag gewidmet).

Wer schon immer mal wissen wollte, wie Eisenerz zu Eisen verhüttet wird, wie daraus Stahl entsteht, und wie man Eisenbahnschienen herstellt, der liest jetzt weiter. Die anderen freuen sich auch den nächsten Eintrag.

OneSteel bietet Führungen an, die einen ins Herz der riesigen Anlage (mehrere Quadratkilometer gross) bringen und einen eindrücklich Einblick erlauben. Ich versuche mich kurz zu halten.

Per Schiff werden 0.9 Mio Tonnen Steinkohle aus New South Wales herangefahren und werden zu Koks umgewandelt — der Energiegehalt von Braunkohle, z.B. aus Leigh Creek, ist dafür zu klein. Dabei wird unter Luftabschluss eine höherwertige Kohle hergestellt, und als Nebenprodukte fallen grössere Mengen Koksgas und Ammoniumsulfit an. Ammoniumsulfit verwenden die Bauern als Dünger und die Terroristen als wichtigste Zutat für Bomben. 180 (!) Koksöfen werden parallel betrieben, und alle 8.5 Minuten wird einer geleert ... und einer mit 20 Tonnen Kohle gefüllt.

Die Koksofen sind links sichbar, der "Turm" ist der fahrbare Füllapparat

Das Eisenerz wird in der Mine zu feinem Kies gemahlen, mit aufbereitetem Regenwasser gemischt und 62 km durch eine Pipeline nach Whyalla gepumpt (!). Der Erzbrei wird getrocknet, dann wird Kalk aus Japan zugemischt. Im koksbefeuerten Hochofen wird das Eisenerz bei über 2000°C geschmolzen. Der Kalk bindet Verunreinigungen. Das flüssige Eisen (200 Tonnen pro Stunde; Kohlenstoffanteil 4%) wird in Spezialeisenbahnwagen gefüllt und ins nahe Stahlwerk gefahren. Die glühende Schlacke (Kalk plus der nicht-Eisenanteil aus dem Erz) wird von einem Spezialtransporter auf eine Halde gekippt. Das ist, als ginge die Sonne auf.

Der Hochofen (engl. blast furnace)


Transporter mit Schlackebehälter

Ausleeren der flüssigen Schlacke



Im Stahlwerk wird das flüssige Eisen unter Zufuhr von Sauerstoff und Zugabe von einem Drittel Alteisen weitergekocht und der Kohlenstoffanteil auf unter 1% reduziert. Das ist nun Stahl. Allenfalls werden andere Metalle dazugegeben (Chrom, Mangan, etc.). Zum Kochen wird Koksgas (siehe oben) verwendet. Dann wird der Stahl zu Barren à 1.5 bis 5 Tonnen gegossen und abgekühlt. Jährlich werden 1.2 Mio Tonnen Stahl produziert.


Das Walzwerk

Die fertigen Barren

Später werden die Stahlbarren in einen riesigen Ofen wieder erhitzt (Koksgas!), dann zu Eisenbahnschienen oder Profilen gewalzt und wieder abgekühlt.

Je nach Verwendungszweck werden die Schienen und Profile partiell erhitzt (Koksgas …), dann abeschreckt und dabei gehärtet. Weil sie sich dabei verziehen können, werden sie nochmals erhitzt (womit wohl?) und gerichtet. Alle Produkte sind für den Australischen Markt bestimmt. Australian Owned, Australian Made. Wenn man die Leute von Whyalla vom Stahlwerk reden hört, dann sollte man sagen: Proudly Australian Made.

Whyalla ist eine aufgeräumte Kleinstadt, die sogar ein bisschen Charme hat und alles fürs tägliche Leben bietet. Im Gegensatz zum Grundwasser, das in Leigh Creek angezapft wird, ist Whyalla voll von eine Wasser-Pipeline abhängig, die 376 km lang ist und ihr Wasser vom Murray River bezieht. (Randbemerkung: wie in diesem Blog-Eintrag beschrieben, war der Murray River früher ein gewaltiger, schiffbarer Fluss. Da ihm für aber immer mehr Wasser für Landwirtschaftsbewässerung -– und z.B. für Städte wie Whyalla – entzogen wird, ist er zeitweise nurmehr ein Rinnsal. Das ist im Süden von Australien ein Riesen-Politikum, und die Regierung kauft seit 2013 Wassernutzungskontingente von Privaten zurück.)

Mittwoch, 11. März 2015

Die ignorierte Stadt

Wie Australier immer einen Superlativ finden • Warum eine Stadt einfach vergessen wird • Wo diese Stadt in ganz anderen Bereichen punktet • Weshalb sich ein Besuch erst recht lohnt

Wir Schweizer haben eine starke Tendenz zur Konfliktvermeidung. Dazu haben wir mehrere Strategien entwickelt: so sind wir zum Beispiel ziemlich gut im erarbeiten von Kompromissen, oder wir setzen lieber auf Individualität oder Qualität, als uns einem Vergleich mit einem Konkurrenten zu stellen. Dagegen sind Australier im Allgemeinen sehr kompetitive Leute, die den Vergleich mit anderen suchen … und gerne gewinnen. Dauernd wird verglichen: beim Sport (mehr Punkte, mehr Goals, länger, weiter), beim Autofahren (grösser, lauter, schneller), beim Einkaufen (billiger, mehr fürs gleiche Geld, besseres Modell), bei Sehenswürdigkeiten (grösser, teuerer, älter), etc. Zuerst vergleicht man sich mit dem Nachbarn, dann vergleicht man mit den anderen Teilstaaten und schliesslich mit der ganzen Welt. Ist man nicht so sicher, ob man jetzt z.B. die tiefste oder grösste Mine der ganzen Welt hat, dann ist “one of the Word’s greatest …” ein sicherer Wert. Ist man bekannterweise nicht Weltspitze, dann ist “… in the southern hemisphere" ein oft bemühter Superlativ, z.B. “der Frischwarenmarkt in Adelaide ist der grösste der südlichen Hemisphäre!”. Ich frage dann jeweils, ob sie den Markt in Buenos Aires kennen, das 14 Mio Einwohner hat, oder den in Johannesburg. Meist kriege ich ein ratloses Gesicht zur Antwort. Es geht also ganz klar darum, zuoberst zu stehen; vielleicht sind der zweite und der dritte Rang auch noch akzeptabel, aber ohne Medaille, das ist nichts. Notfalls kreiert man sich seine eigene Meisterschaft (meist ohne Nennung der Mitstreiter oder der Zusammensetzung der Jury) und kann dann zumindest eine Auszeichnung vorweisen, z.B. “Award for the best Goulburn Valley blue goat cheese 2011” — da dürfte es allerdings nicht viel Konkurrenz geben.

Adelaide Market (täglich geöffnet)

Diesem Ranking müssen sich natürlich auch die Hauptstädte der australischen Teilstaaten stellen. Vergleicht man die Anzahl der Einwohner, gibt’s ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Sydney und Melbourne haben je ca. 4.5 Mio, Brisbane: gut 2 Mio, Perth: 1.8 Mio. Von den anderen Hauptstädten redet schon keiner mehr, denn diese vier grossen machen mit zusammen 13 Mio Einwohnern schon weit über 50% der australischen Bevölkerung von 23 Mio aus.

Vergleicht man die Städte nach Attraktivität, macht natürlich Sydney mit seiner spektakulären Lage am natürlichen Hafen, dem Status der ältesten Stadt und den zahlreichen hervorstechenden Gebäuden das Rennen. Melbourne schwingt vor allem in Sachen Life Style oben aus sowie mit den vergleichsweise nahe gelegenen Landschaftlichen Höhepunkten. Perth wiederum ist in den letzten Jahren wegen dem Mining Boom, der zu einem guten Teil in West Australien stattfand, enorm gewachsen und reich geworden. Brisbane ist die Boom Town schlechthin, an der Gold Coast gelegen, mit schönem Wetter gesegnet und Erfolg ausstrahlend. Das war’s dann auch hier.
 Keine weiteren Nennungen.

Adelaide wird in Australien faktisch meist ignoriert. Ist einfach nicht da. Das gilt für die Medien, die Wirtschaft, die Politik, den Sport, die Mode, etc. Dabei hat Adelaide immerhin auch 1.3 Mio Einwohner und ist die Hauptstadt des trockensten Staats auf dem trockensten Kontinent. Aha, jetzt haben wir doch noch einen Superlativ gefunden!


Zugegeben: Adelaides Stadtzentrum liegt nicht direkt am Meer (wie auch Melbourne und Perth), dafür an einem Fluss, dem Torrens River. Dieser schlängelt sich unmittelbar nördlich des CBD (central business district) vorbei und ist ein Naherholungsgebiet, z.B. fürs Joggen oder Rudern über Mittag. Dafür ist Adelaide absolut flach, was das Ganze städteplanerisch einfach hätte machen können. Diese Chance wurde nicht konsequent genutzt, sondern man hat die Aussenquartiere durch Grüngürtel abgegrenzt. Das schien einmal eine gute Idee, schafft aber heute faktisch einen Graben zwischen “innen” und “aussen”.

Torrens River, 500 m vom Stadtzentrum

Dieser Stadtplan blendet die Aussenquartiere schlicht aus

Im CBD von Adelaide ist alte koloniale Architektur mit neuer Architektur gemischt, und zum Glück weniger "krass" als in Sydney, das auch von diesen dramatischen Gegensätzen lebt, dafür mehr als in Melbourne, wo der Stadtkern weitgehend aus den Zeiten des Goldrausches um die Wende zum 19. Jahrhundert stammt und einige sehr prunkvolle Gebäude vorweisen kann.

Adelaide Arcade





Natürlich gibt es auch hier einige Bausünden, die so nicht hätten passieren dürfen. Ein offen sichtbares Parkhaus inmitten der Fussgängerzone — praktisch gedacht, aber hässlich. Immerhin versucht man ein anderes Parkhaus, ganz in der Nähe, nachts in einen Lichtschleier zu hüllen.



Adelaide ist in Australien als sehr konservative Stadt verschrien, wo man in gewissen Kreisen das Gegenüber zuerst fragt, welche Schule sie oder er denn besucht hätte. In der Politik konnte Adelaide mit Julia Gillard zwar von 2010 bis 2013 die Premierministerin stellen, aber ihre Wahl kam für viele moralisch etwas fragwürdig zustande (sie bootete mehr oder weniger ihren Parteikollegen inmitten der laufenden Regierungsperiode aus), und genauso unrühmlich ende ihre eigene Amtsperiode.

Wer aber jetzt zum Eindruck gelangt ist, Adelaide sei eine langweilige und nicht nur im meteorologischen Sinn trockene Stadt, der hat vorschnell geschlossen. Denn in Sachen Kultur liegt Adelaide ganz vorne und gibt sich sehr selbstbewusst. Melbourne behauptet seit langem die Food-Kapitale Australiens zu sein, doch scheint dieser Thron zu wanken, denn im Dezember hat der Popstar der modernen Küche, Jamie Oliver, im Zentrum von Adelaide ein Restaurant eröffnet. Und das ist natürlich kein Zufall. Adelaide ist auf dem Weg nach oben! (Auch wenn gewisse Pessimisten schon vor 15 Jahren behaupteten, die Stadt sei dem Untergang geweiht).

Während Victoria auf die Autokennzeichen schreibt «The Place To Be», schreibt South Australia «The Festival State». Vor zwei Wochen fand das mittlerweile weltbekannte Adelaide Fringe Festival, wo jeweils die nächste Generation von Performance-Stars von Kunst, Musik und Tanz auftreten, statt. Gerade im Moment laufen das Adelaide Festival und WOMADelaide (World of Music, Arts & Dance), im Juni das Adelaide Cabaret Festival, im August das South Australian Living Arts Festival, im September die Royal Adelaide Show — die Liste liesse sich fast beliebig verlängern.

Und schliesslich hat Adelaide noch einen Trumpf im Ärmel, von dem Sydney, Melbourne und Perth nur noch träumen können: Adelaide ist laid back (KURSIV). Laid back kann man mit zurückgeblieben oder mit provinziell übersetzen, aber stressfrei ist eine viel angemessenere Wahl. Im Zentrum von Adelaide gibt es im Vergleich wenig Verkehr und auch deshalb eben wenig Stress. Es gibt eine wunderbar lange Fussgängerzone, viele coole Cafés in den Seitengassen, die Leute grüssen sich in den Geschäften.

Rundle Mall


Die Mode ist teilweise konservativ, wenn nicht gar ländlich, die Make-ups sind einfach gehalten, und die Leute sind sich selbst. Die Adelaidians strahlen mehrheitlich einen natürlichen Charme aus, der so ganz das Gegenteil von Sydneys überheblichem Glamour-Glamour-und-sportlich-Aussehen-Getue ist. Also auch wenn Adelaide in Australien oft meist "vergessen" wird, dann tut das dem Lebensstil dieser Stadt keinen Abbruch — wohl eher im Gegenteil, wie die aufstrebende Gastronomie- und Kulturszene beweisen.