Samstag, 30. Oktober 2010

Im Outback — Teil 5: Springs & Bores

Teil 4

Im ersten Teil dieser kurzen Serie über das Outback hatte ich unter anderem in Aussicht gestellt, dass ich den Versuch unternehmen würde zu erklären, wie das Outback funktioniert. Und natürlich steht auch noch die Erklärung aus, wozu die Windräder gut sind.

Eine wichtige Eigenschaft des östlichen Outback ist bereits erklärt, nämlich dass grosse Wassermengen aus den niederschlagsreichen Gebieten von Queensland und Northern Territory zum tiefsten Punkt des Lake-Eyre-Becken fliessen und dort verdunsten und dadurch alle paar Jahre Überschwemmungen verursachen und die Natur kurz aufblühen lassen. Dazwischen ist es aber über Jahre fast vollkommen trocken; die letzte Dürre, die z.B. in New South Wales vergangene Woche offiziell zu Ende ging, dauerte 9 Jahre. Wie können die Stations und ihre Rinder oder Schafe so lange ohne Wasser auskommen? Die Antwort ist einfach: sie können nicht.

Das Lake-Eyre-Becken hat nämlich noch eine weniger gut sichtbare Eigenschaft: es ist ein riesiges artesisches Becken, in welches am Rand Wasser einfliesst, zwischen den Gesteinsschichten zuerst runter und dann seitwärts wandert, und dort wo es Risse und Löcher Richtung Oberfläche hat, nach oben gedrückt wird und an gewissen Stellen dann aus dem Boden austritt. Das kann man sich veranschaulichen, indem man, sagen wir, zwei Salatschüsseln aus Plastik ineinanderstellt und Wasser in die Spalte einlaufen lässt. Drückt man die innere Schüssel dabei hinunter, ist bald einmal voll. Bohrt man nun ein kleines Loch in die innere Schüssel, beginnt dort das Wasser hochzusprudeln. Voilà ein artesischer Brunnen.

Klicken für Vergrösserung

Das unterirdische Wasser im Lake-Eyre-Becken stammt aus denselben Gebieten wie das oberirdische Wasser und ist mehrere Millionen Jahre alt. Die Aboriginees kannten viele der natürlichen artesischen Brunnen, welche es ihnen überhaupt erst ermöglichten, das Outback auch in der Trockenzeit zu durchqueren und dort zu leben.

Mound Springs (natürlich) 30 km SW vom Lake Eyre

Wo natürliche Brunnen fehlen, hat man bereits in den 1870er-Jahren gemerkt, dass man auch in die Grundwasserschicht bohren kann, und dass Wasser durch den Druck teilweise von selbst bis an die Oberfläche kommt. Das nennt man eine bore. An gewissen Orten sind das viele Tausend Liter pro Tag, oft ist das Wasser warm oder sogar kochend heiss. Die Menge hat kaum saisonale Schwankungen. Wo der Druck nicht bis zur Oberfläche reicht, kann man das Wasser hochpumpen. Pumpen ist aber Arbeit. Woher nehmen? — Genau, der Wind!

Bore mit Windrad und Wasserspeicher

Die Windräder sind Ikonen des Outback, aber sie wollen unterhalten werden. Oft werden sie das nicht, werden von Stürmen zerfetzt und zerfallen langsam. Neuerdings werden immer mehr Solarpumpen eingesetzt.

 Montecollina Bore (ca. 38°C)

Während die bores am Anfang (um 1900) vom Staat an ökonomisch-strategischen Stellen geplant und finanziert wurden, gibt es heute über 10'000 davon. Jede Station hat eine oder mehrere. Das Wasser wird in Tanks gespeichert, damit auch etwas da ist, wenn es nicht windet. Es ist teilweise sehr mineralhaltig und hat einen starken Geschmack, aber man gewöhne sich daran. Das ist wohl besser, denn das Leben hängt von diesem Wasser ab. Die total zur Verfügung stehende Grundwassermenge ist natürlich beschränkt, und sie reicht nicht aus, um in langen Dürrezeiten hunderttausende von Rindern oder Schafen zu tränken. Aber mehr dazu im nächsten und letzten Eintrag zum Outback.

Fortsetzung: Teil 6

Montag, 25. Oktober 2010

Im Outback — Teil 4: Arckaringa Station

Teil 3

Wenn in Australien oder Neuseeland von station die Rede ist, dann ist meist nicht der Bahnhof gemeint, sondern eine Schaf- oder Viehzucht, entsprechend sheep station oder cattle station. Der Begriff farm bezeichnet eher einen Betrieb, der auf Ackerbau spezialisiert ist.

Die Arckaringa Station befindet sich etwa 100 km nördlich von Coober Pedy, die Zufahrt über die staatliche Strasse ist zuweilen etwas ... ähm ... schwierig. Das schlimmte "Wellblech" auf der ganzen Reise.


Arckaringa Station (Google Maps)


Mit 2745 km2 entspricht die Station einem Quadrat mit Seitenlänge 53 km und ist somit etwa gleich gross wie der Kanton Tessin. Um eben mal die Nachbarn auf der Mount Barry Station zu besuchen (diese ist gut 5000 km2 gross), legt man gut 50 km zurück. Die im Norden angrenzende Station nimmt mit 10'000 km2 einen Viertel der Fläche der Schweiz ein.



Die Arckaringa Station lebt von der Rinderzucht. Den Stall sucht man allerdings vergeblich — die durchschnittlich 2000 Tiere verbringen die ganze Zeit im Freien. Ihr Auskommen ist eher karg, auch nach dem nassen Winter. Sie werden ausschliesslich fürs Schlachthaus aufgezogen; Milchkühe könnten hier nicht überleben. Zudem wäre die Lagerung und der Abtransport der Milch ein logistisches Problem und somit zu teuer. Nach starken Regenfällen ist die Station auch mal für eine Woche abgeschnitten.

 Klicken für Vergrösserung

Auf der Station lebt genau eine Familie, sechs Personen. Den Strom liefert ein Dieselgenerator, das Wasser kommt aus dem Boden und wird in Stelzentanks gespeichert. Traktor gibt es keinen dafür zwei robuste Geländewagen, ein Motorrad und Hunde. Alle fürs Rindertreiben.

Auf dem Grundstück von Arckaringa Station befinden sich auch ein Teil der Felsen, die Painted Desert genannt werden. Nicht ganz umsonst. Das ermöglicht es der Familie, auf dem Hof für Touristen noch ein paar Zeltplätze und Cabins anzubieten und so ein paar zusätzliche Dollars zu verdienen.




Fortsetzung: Teil 5

Dienstag, 19. Oktober 2010

Im Outback — Teil 3: Die Wüste blüht

1953 hat Walt Disney im sehr erfolgreichen Dokumentarfilm "The Living Desert" (Deutscher Titel "Die Wüste lebt") gezeigt, wie Pflanzen und Tieren in Wüstengebieten nur durch extreme Anpassung überleben können. Tagsüber unerträgliche Hitze, nachts eisige Kälte; monate- oder jahrelange Trockenheit, unterbrochen von kurzen Perioden mit Regen und Überschwemmungen, in denen die Natur einen Moment Zeit hat, einen vollen Lebenszyklus zu absolvieren, bevor wieder die Dürre einsetzt.

Im eher theoretischen Teil 2 hatte ich erläutert, wie es dazu kommt, dass das südöstlichen Outback plötzlich mit so viel Wasser konfrontiert ist, und dass dieses nicht etwa ins Meer abfliesst, sondern sich am tiefsten Punkt des Lake-Eyre-Beckens sammelt und langsam verdunstet, bis nur noch die Mineralien zurückbleiben.


Bereits kurz nachdem Regen gefallen oder ein Überschwemmungszustand eingetreten ist, beginnen die Pflanzen eilig aus dem Boden zu schiessen ...




... um dann in voller Blüte aufzugehen.





Ich hatte aus Erzählungen und Filmen über Afrika schon oft von Wasserlöchern gehört, mir aber nie besondere Gedanken darüber gemacht. Sie entstehen in Geländesenken, aber vor allem auch entlang von Flussläufen, nachdem das Wasser aufgehört hat zu fliessen. Diese vorübergehenden Seen, Teiche und Tümpel bleiben oft monatelang Wasserspender für alle Arten von Tieren (mehr dazu in einem weiteren Eintrag).


Darüber freuen sich natürlich nicht zuletzt die Vögel. Es ist ein ungeklärtes Rätsel, woher die Pelikane wissen, dass 2000 km im Landesinnern neu ein See entstanden ist.



Vom plötzlichen Wachstum der Pflanzen profitieren die Insekten und die Reptilien; daran haben wiederum die Vögel und die kleinen Raubtiere Freude; und das setzt sich in der Nahrungskette fort bis zu den Dingos, welche für einmal nicht spindeldürr sondern mit glänzendem Fell herumpirschen.



So haben wir also ein untypisches aber höchst attraktives Bild vom Outback erhalten. Wenn wir nächstesmal in der Region sein werden (in ein paar Jahren vielleicht), dürften wir mit grosser Wahrscheinlichkeit wieder die übliche trockene und staubige Landschaft antreffen.

Allem Wasser im Osten zum Trotz hält aktuell die Dürre im westlichen Outback unvermindert an.

P.S. Im letzten Blog-Eintrag ist mir noch ein Fehler unterlaufen. Dürre in English ist drought (ausgesprochen "draut"), nicht draught (die britische Variante von draft und auch so ausgesprochen).

Fortsetzung: Teil 4

Dienstag, 12. Oktober 2010

Im Outback — Teil 2: Überschwemmungen?



Im Teil 1 über das Outback hatte ich versucht, grob die geografischen Grenzen zu umreissen. In diesem Teil möchte ich näher auf den Wasserhaushalt des südöstlichen Outback eingehen, da hier einige überraschende Zusammenhänge bestehen.

Es kommt nicht von ungefähr, dass das australische Outback mit rotem Sand, Trockenheit und Hitze assoziiert wird, denn ein Blick auf die Klimazonen von Australien zeigt, dass ein grosser Teil des Gebiets Wüste ist (im Diagramm orange markiert; beige bezeichnet übrigens Grasland, doch wer dabei an saftige grüne Alpwiesen denkt, liegt die meiste Zeit daneben).


Als kleine Denksportaufgabe überlege man sich an dieser Stelle kurz, was eigentlich eine Wüste ausmacht.

Das Niederschlagsdiagramm (1965-1995) spricht natürlich dieselbe Sprache, je weisser umso trockener:

 Aufs Bild klicken für Vergrösserung

So erhält die Region beim roten Ring im Jahresschnitt ca. 140 mm Niederschlag, während die Verdunstung 2500 mm beträgt. Eine gebräuchliche Definition von Wüste ist, dass die Verdunstungsrate im langjährigen Mittel grösser ist als der Niederschlag. Nun erstaunt es aber doch, dass genau unter dem roten Ring der Lake Eyre liegt, ein Salzsee, der sich alle paar Jahre mal mit Wasser füllt und ein Viertel so gross ist wie die Schweiz.

Noch ein Diagramm: Höhe über Meer (die feine türkis Linie bezeichnet 0m, schwarz ist unter dem Meerespiegel, rot knapp drüber, blau bereits einige hundert Meter hoch).


Man erkennt auf dem Bild unter anderen, dass der Lake Eyre unter dem Meeresspiegel liegt, während die nördlich bis östlich angrenzenden Gebiete höhere Lagen sind, und die reichen Niederschläge somit wie in einem Trichter zum tiefsten Punkt fliessen. Das ist das sogn. Lake-Eyre-Becken.


Nun möchte ich aber nicht, dass ein falsches Bild entsteht: die meiste Zeit herrscht im Lake-Eyre-Becken extreme Trockenheit (drought) und der See ist nur noch eine weisse Salzkruste. Wie wir jetzt gelernt haben, bedeutet drought nicht keine Niederschläge, es bedeutet keine richtige Überschwemmung. Es braucht sehr viel Wasser, bis etwas im Lake Eyre ankommt. Dieses Jahr war es wieder einmal so weit.

Bereits im März und April dieses Jahres regnete es im südlichen Queensland sehr viel, und die Niederschläge hielten an bis im August, was die Flüsse anschwellen liess. Der Cooper Creek war stellenweise bis zu 60 km (sic!) breit, und seit 20 Jahren fuhr erstmals wieder die kleine Autofähre über den Fluss ... Zusätzlich gab es östlich vom Lake Eyre Anfang Septemer einige starke Gewitter, sodass ziemlich alle Strassen unpassierbar waren.

 Nowhere to go in Innamincka ...

... ausser vielleicht ins Pub



Warum wir trotz einiger Routenänderungen nicht traurig über das viele Wasser waren, werde ich im nächsten Teil zeigen.

Fortsetzung: Teil 3

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Im Outback — Teil 1

Jeder kennt das Windrad auf dem Stahlgerüst und verbindet es mit dem australischen Outback.


Wozu das Windrad dient, ist bereits nicht mehr allen klar, und wo oder was genau das Outback ist, können nicht mehr viele schlüssig beantworten. Ich auch nicht, aber ich werde es versuchen, ein paar wichtige Aspekte zu beleuchten. Kürzlich haben wir drei Wochen lang ein bisschen im Outback rumgeschnuppert, und das Ergebnis war nicht, was wir erwartet hatten. Doch mehr dazu später.

Das Outback ist mehr als nur eine geografische Region; es ist auch ein Mythos; es fasziniert; es geht zusammen mit einem Lebensstil; es ist ein Tummelfeld für die letzten "Abenteurer" wie wir ;-)

Outback hat vor allem mit remoteness (Abgelegensein) zu tun, ist also dort, wo die Zivilisation weit entfernt, und man auf sich selbst gestellt ist, ganz speziell wenn ein Unfall passiert. Stellen wir doch zuerst die Proportionen klar: auf der Weltkarte sieht Australien nicht besonders gross aus, und wer es noch nie erlebt hat, ist plötzlich erstaunt, dass es von Melbourne nach Sydney fast 1000 km sind, nach Perth im Westen 3400 km und nach Darwin im Norden über 4000 km — fast gleich weit also, wie von Rom ans Nordkapp. Mit 7.6 mio km2 ist Australien fast 200-mal so gross wie die Schweiz. Zieht man von den 22.5 mio Einwohnern diejenigen in Sydney, Melbourne, Brisbane, Perth und Adelaide (alle über eine Million) ab, bleiben noch 9 mio. Insgesamt leben 90% in mehr oder weniger urbanen Zentren entlang der Küste, d.h. die restlichen 2.2 mio teilen sich die verbleibenden 99% der Landfläche.


Wo genau das Outback beginnt und aufhört, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Früher gab es das back country, welches alles ausserhalb der Front der Siedler umfasste, die vom Meer her ins Landesinnere vordrangen. Aber nicht alles, was ausserhalb der Urbanität liegt, wird Outback genannt. Es gibt auch noch den bush. Dieser beginnt schon bald hinter der Grossstadt und kann nach Schweizer Standard auch schon ziemlich abgelegen sein, z.B. 80 km zur nächsten Ortschaft. Bush heisst nicht zwingend Wald; oft ist es eine von Büschen durchsetzte Steppe, kann aber auch ein Eukalyptuswald mit 60 m hohen Bäumen sein. Im täglichen Sprachgebrauch ist bush oft auch einfach alles, was nicht dicht bewohnt ist. Wenn man also von der australischen Landfläche die dichter besiedelte Küste, die  Landwirtschaftsflächen und den bush abzieht, dann kommt man etwa auf die braun-rote Region OUTBACK im folgenden Bild:

 Rot punktiert unsere Reiseroute, 5600 km

In  den nächsten Beiträgen, werde ich näher zu beleuchten versuchen, was das Outback ist und wie es funktioniert, mindestens im zentralen und östlichen Teil.

Fortsetzung: Teil 2