Montag, 28. März 2011

Endlich! Die Bilder

Von den gut 5'600 Bildern, die wir zwischen Dezember 2009 und Februar 2011 in Australien und Neuseeland geschossen haben, blieben nach einer ersten Durchsicht noch gut 3'500 übrig, die es in den vergangenen drei Wochen zu bearbeiten, zu bewerten, zu sortieren und weiter zu reduzieren galt.



Seit fünf Jahren verwende ich dazu Adobe Photoshop Lightroom auf dem Mac, ein professionelles Werkzeug, das mit Hundertausenden von Bildern zurecht kommt und den gesamten Workflow in der Arbeit mit digitalen Bildern unterstützt. Die Arbeit damit macht mir Spass und gibt mir das Gefühlt, dass ich meine mittlerweile gegen 15'000 Bilder im Griff habe. Die Interessierten finden ganz unten mehr zu Lightroom.

Sind die Bilder einmal alle in Lightroom geladen, gehe ich folgendermassen vor:
  1. ich schaue mir jedes Bild gross an und entscheide, ob ich es gleich lösche, ob es einer leichten Bearbeitung bedarf, oder ob ich es unverändert lasse
  2. ich lösche alle entsprechend markierten Bilder
  3. ich bearbeite die entsprechend markierten Bilder (Belichtung, Farbtöne, Ausschnitt, Geradestellen des Horizonts, Schärfen, etc.); dabei lösche ich weitere Bilder
  4. ich bewerte alle Bilder mit Sternen (1 bis 5); dabei lösche ich weitere Bilder und bearbeite andere erstmals oder nochmals
  5. ich vergebe jedem Bild Schlüsselwörter zum Inhalt, z.B. 2011, baum, eukalyptus, snowgum, herbst, oz, tasmania

Erst jetzt ist eine Auswahl von Bildern möglich:
  1. ich lasse mir mal alle Bilder mit 4 und 5 Sternen anzeigen und selektiere daraus
  2. die Gewählten markiere ich rot, so sehe stechen sie in der Gesamtübersicht heraus
  3. ich gehe durch alle Bilder und wähle weitere aus, die die bisher selektierten ergänzen oder neue Aspekte hinzubringen
  4. ich sortiere die ausgewählten Bilder, sodass darum herum ein Erzählfluss möglich wird (wenn ich das will); oft braucht es dazu nochmals mehr Bilder
Insgesamt habe ich so jetzt gut 300 Bilder ausgewählt. Zeigt man jedes Bild 6 Sekunden — was ziemlich lange ist – dann sind sie in gut 30 Minuten vorgeführt — was erträglich ist.

Gegen ein Nachtessen zeige ich die Bilder auf Anfrage gerne in voller Auflösung und Farbe (Fahrtspesen verrechne ich keine ;-)

Wer nun nicht auf die ganze Kollektion warten kann oder will oder zuerst noch abwägen muss, ob sie eine Nachtessen wert ist, für den habe ich daraus nochmals eine Auswahl getroffen. Sie ist nur noch 50 Bilder gross und ein guter Querschnitt durch 15 Monate Australien.





Die 50 Bilder gibt's hier in Picasa als Slideshow mit besserer Auflösung.


Lightroom Workflow-Unterstützung
  • Importieren von der Kamera
    Dabei können die Bilder gleich umbenannt, mit Copyright-Kommentar, Schlüsselwörtern, etc. versehen werden
  • Verwalten
    Physische Ordnung, selektieren, markieren, filtern, versehen mit Schlüsselwörtern, bilden von Alben, exportieren, etc.
  • Korrigieren
    Alle Arten von Linsen, Belichtungs- und Farbfehler korrigieren; schärfen; Ausschnitt wählen; drehen, etc.
    Mit Lightroom kann aber der eigentliche Bildinhalt nicht umgestaltet werden, wie dies sein Name (Adobe Photoshop Lightroom) erahnen liesse.
  • Präsentieren
    Am Bildschirm oder mit Projektor, Auswahl von Hintergrund und Einblendungen, etc.
  • Drucken
    Anordnen von mehreren Bildern auf ein Blatt, Randabstände, etc.
  • Publizieren im Web
Es sind drei Dinge, die ich an Lightroom besonders schätze
  • Die Bilder werden beim Korrigieren nicht physisch verändert. Lightroom merkt sich nur, welche Bildtransformationen man vorgenommen hat. Dadurch bleiben die Original erhalten, korrigierte Versionen können jederzeit exportiert werden
  • Alle systematischen Vorgänge (z.B. umbenennen von Bildern zu einem bestimmten Namensmuster, importieren an einen bestimmten Ort oder präsentieren von Bilden mit definierten Bildübergängen) können mit Namen versehen und für spätere Wiederverwendung abgespeichert werden.
  • Fast alle Operationen können über Tastaturkürzel abgerufen werden, was besonders handlich ist, wenn man Tausende von Bildern bearbeiten will

Freitag, 18. März 2011

Home, sweet (?) home ...

Nun bin ich schon wieder fast zwei Wochen zurück in der Schweiz. Aus der Erfahrung früherer Auslandabwesenheiten wusste ich, dass das Einleben problemlos sein und mich der Alltag rasant wieder "schlucken" würde. Beides ist nicht so eingetroffen.

 Ein australischer Soldat in Europa erkundigt sich nach Zuhause
(Postkarte, War Memorial Museum, Canberra)

Es begann am Flughafen, wo ich von Jeannine und Dölf abgeholt wurde. Bereits im Parkhaus fuhr Dölf auf der vermeintlich "falschen" Seite. Tja, 30'000 km Linksverkehr schüttelt man halt nicht in "the blink of an eye" ab.


Es dauerte zwei, drei Tage, bis ich mich als Beifahrer wieder daran gewöhnt hatte. Selbstfahren war von Anfang an kein Problem. Aber zu Fuss in der Stadt hält es immer noch an: im Coop schneide ich die Linkskurve ums Gestellt und stosse fast mit einem korrekt entgegenkommenden Wägeli zusammen; in der Stadt weiche ich entgegenkommenden Fussgängern instinktiv nach links aus, wobei ein Zusammenstoss ebenfalls vorprogrammiert ist.

Im anfänglichen jet lag fielen mir speziell am Morgen früh die Kirchenglocken auf: 05:00, 05:15,  05:30 ... Kirchenglocken gibt's in Australien kaum, sicher nicht viertelstündlich

Als wir noch in Melbourne wohnten, sagten uns Freunde und Bekannte oft, "ach, was können wir Euch von der Schweiz sagen? Hier passiert nicht viel". — Das ist natürlich nicht war. Seit Dezember verkehrt das Tram Bern West (und es gibt sogar ein Buch dazu!). Das Musikhaus Jecklin hat sein Geschäft auf Zürich konzentriert.


In unserem Quartier stehen drei neue Wohnblöcke. Die West- und Nordautobahn um Bern ist eine riesige Baustelle. Berns öV-Netz hat neue Billetautomaten (endlich!) erhalten. Die Schanzenpost wird umgebaut und befindet sich temporär an der Effingerstrasse. Das Vatter Biogeschäft am Bärenplatz wird demnächst schliessen. Die NZZ kostet neu Fr. 3.70. In der Migros gibt's neue Terra Chips "Züri Geschnätzlets". An der Marktgasse mahnt ein neues, freundliches Velo-Parkverbot:


Vieles ist natürlich geblieben: die meisten Geschäfte schliessen immer noch um 18:30. Züri West nehmen am Morgen ihren Kaffee immer noch in der Markthalle. Mario Torriani und Reeto von Gunten moderieren immer noch bei DRS3; Bernhard Schär leider auch. In der Migros kriege ich einen Garantieschein für das Aussenthermometer (Fr. 3.80). Nach dem Wiedereinlösen unseres VW kam per Post zuerst die Aufforderung zur Fahrzeugprüfung, erst zwei Tage später kam der Fahrzeugausweis. Die Gesichter der Leute, die durch die Stadt gehen, sind eher grau und angespannt; alle marschieren fokussiert auf ein unsichtbares aber unheimlich wichtiges Ziel zu. Mobil telefonieren ist immer noch gleich teuer. Der Springbrunnen auf dem Bundesplatz wird methodisch und gründlich auf die neue Saison vorbereitet.


Die Schweiz, und insbesondere Bern, ist klein geworden. Das fiel mir 1996 nach sechs Monaten Südamerika nicht auf, obwohl wir zwei Wochen in der 13-Mio-Stadt Buenos Aires verbracht hatten. Ich beginne zu verstehen, warum Touristen denken, zwei Tage reichten aus, um die Schweiz zu sehen. Wir haben manchmal die Tendenz, uns wichtiger zu nehmen als wir wirklich sind. (Natürlich reichen zwei Tage NICHT aus!).

Dafür, dass mich der CH-Alltag nicht so schnell verschluckt, ist gesorgt, da ich noch nicht zu arbeiten begonnen habe. Nach 13 Jahren hatte ich per Ende 2009 bei Paranor gekündigt. Vielleicht gehe ich wieder zurück, aber ich will mir jetzt ein paar Wochen Zeit lassen zu überlegen, was ich will, und zu schauen, welche Optionen es gibt. Bis jetzt gaben das Wiedereinrichten und die vielen Fotos genügend zu tun. Das allererste Problem, das ich zu lösen hatte, war der Internet-Zugang aus unserer Wohnung— und wie informiert man sich dazu am besten? Übers Internet ...

Und dann habe ich am Mittwoch noch einen Fehler gemacht: die Batterie unserer elektronischen Personenwaage hatte den Geist aufgegeben. Nach dem Einlegen einer neuen Batterie nahm ich sogleich einen Funktionstest vor. Jetzt habe ich mir ein Fitnessprogramm verabreicht.

Mittwoch, 9. März 2011

Interview — Teil 5 (Schluss)

Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4


Coooo-eeee: Wir sitzen jetzt auf Eurer Terrasse in Bern — ist Dir kalt?

Oliver: Ich verstehe auch nicht, weshalb wir dieses Interview um 7 Uhr morgens machen müssen. Es ist unter null! In Neuseeland war Sommer! (Sommer ist für mich, wenn ich am Morgen nach dem Aufstehen nicht überlegen muss, ob ich kurze Hosen anziehen soll …).

Was ist mit den Pflanzen neben Dir los? Die sehen nicht so gesund aus.

Unser Untermieter — der nach eigener Aussage leidenschaftlicher Koch ist, sich bestens mit den Nachbarn versteht und einen grünen Daumen hat — erachtete es nicht für nötig, die Balkonpflanzen im Frühling aus- und im Herbst wieder einzupacken. Sind wohl alle erfroren. Die Nachbarn waren offenbar froh, als er das Haus wieder verliess. So lernt man die Leute kennen. 2000 und 2006 hatten wir dafür sehr gute Untermieter, das tröstet. Aber wären wir das Risiko nit eingegangen, dann müssten wir jetzt zuerst eine Wohnung suchen, oder wir hätten Bern gar nie verlassen, denn Jeannines Anfangstermin war ja vorgegeben. Auf Englisch sagt man, you can't keep the cake and eat it, too ("ds Füfi u ds Weggli").

Reisen

(klicken für Vergrösserung)

Wie war die Australien-Umrundung?

Das haben uns schon einige Leute gefragt, als sie hörten dass, wir drei Monate in Australien reisen. Dafür müsste man ein Jahr Zeit haben. Nein, wir haben Victoria noch etwas weiter erforscht, den südlichen Teil des Staats South Australia und Tasmanien. 10'000 km. Ah, und im September waren wir im Outback, 5'500 km (siehe Blog-Einträge).


Wart Ihr auch von den Überschwemmungen betroffen?

Nicht direkt, denn Queensland, wo sie am schlimmsten waren, war gut 2'000 km von unserer Reiseroute entfernt. In Victoria gab es Überschwemmungen, nachdem wir dort durchgereist waren. Indirekt waren wir aber ziemlich betroffen, den die Wetterausläufer stahlen dem Sommer die Show. Wohl hatten wir ums Neujahr 45°C, aber die wirklich schönen Tage und die lauwarmen Abende lassen sich fast an zwei Händen abzählen. Vor allem in Tasmanien hatten wir in gut drei Wochen nur fünf oder sechs wirklich schöne Tage. Und das im Hochsommer.

Was zieht so viele Leute nach Australien in die Ferien?

Australien ist landschaftlich sicher einzigartig und sehr divers. Dann haben die Leute auch gerne warm, wenn sie in die Ferien gehen. Was für mich vor allem zählt, ist das Gefühl von space (Raum). Es geht mir dabei nicht einmal so sehr um die unendlichen meist eher eintönigen Weiten, sondern dass man die Natur geniessen kann ohne störende, von Menschenhand erstellte Strukturen. Und dass man beim Campieren oft den Eindruck hat, man sei ganz alleine in der Natur. Ein paarmal hatten wir einen Campingplatz für uns alleine.

Ein australisches Paar, das Australien über ein Jahr lang mit dem Velo bereiste, erzählte uns, sie hätten auf den langen, öden Strecken meist neben einem Roadhouse campiert. Aber alle Europäer hätten beim Roadhouse nur Wasser aufgefüllt und hätten zwischen den Radhouses campiert, weil sie genau dieses Gefühl von space haben wollten.

Welche Tipps kannst Du unseren Lesern geben, wenn sie eine Reise nach Australien planen?

Erstens: Australien ist waaaaahnsinnig gross. Ausser man hat sechs Monate oder mehr Zeit, sollte man sich auf eine oder zwei Regionen beschränken. Es käme ja keinem Europäer in den Sinn, in drei Wochen von Stockholm über Lissabon nach Athen zu fahren.


Zweitens: Vergesst mal die klassische Route von Sydney nach Cairns, die Great Ocean Road oder den Ayers Rock (Uluru) . Obwohl extrem schön, sind die mittlerweile alle obertouristisch. Ich selbst bin richtig Fan von Victoria geworden. Da kann man locker einen tollen Monat verbringen. Alle scheinen dieselben Monumente besuchen zu wollen, die sie schon auf tausend Bildern gesehen haben — sucht doch zur Abwechslung mal "the Space" und erlebt die Natur, wo man sie fast für sich alleine hat.

Drittens: Australien ist "the World's Camping Nation". Und die schönsten Orte sind nicht etwa die Holiday Parks (siehe diesen Blog-Eintrag), sondern die ganz einfachen Campingplätze in den Nationalparks, Forest Parks, etc. Die sind in Victoria meist gratis (es gibt allein dort mindestens 300 davon), sonst kosten sie zwischen 5 und 13 Dollar pro Auto. Nur für etwa 10% davon braucht man einen 4x4 um hineinzukommen. Dieses Buch ist die Camping-Bibel: Camping in Victoria.
Am Morgen erwacht man meist zu Vogelgezwitscher oder zu Meeresrauschen. Das werde ich in der Schweiz sicher vermissen!

Was waren die Highlights Eurer Reise?

Uns hat die Küste der Eyre-Peninsula in South Australia extrem gut gefallen. Camping at its best! (Blog-Eintrag)

Dann hat uns Canberra sehr positiv überrascht. (Blog-Eintrag)

Der Otway-Nationalpark an der Great Ocean Road wird gerne übersehen — man fährt mittendurch —, wir haben dort fast eine Woche verbracht. Die Triplet Falls und der Walk dazu waren grossartig.


Beechworth, im Norden von Victoria, war die totale Überraschung; ein ehemals reiche Goldgräberstadt mit fast vollständig erhaltenem Kern.


Im Flugzeug über die Südspitze von Tasmanien zu fliegen und mit dem Boot durch den Bathurst Harbour zu fahren war umwerfend.


Was war eher enttäuschend?

Kangaroo Island wird sehr gut vermarktet, bietet aber eigentlich nicht mehr als das Festland auch. Zudem ist die Fähre teuer und das Camping mittelmässig. Können wir eigentlich nicht mit gutem Gewissen empfehlen.

Fast jeder Australier (mit wenigen Ausnahmen) haben unsere Erwartungen für Tasmanien sehr hoch gehen lassen. Der Wälder im Westen mit den schwarzen Flüssen (das Wasser ist vom Tannin von verrottenden Pflanzen gefärbt) sind toll, und die Kurzwanderungen (Blog-Eintrag) sind einzigartig.


Aber Tasmanien ist die Ferieninsen der Australier, und die Tasmanier scheinen der Invasion etwas müde. Es hat uns gut gefallen und ist empfehlenswert, doch vieles, was so gepriesen wird, findet man in Victoria auch. Und anderes ist in Neuseeland noch schöner. Wer aber richtig wilde, mehrtägige Wandertripps mit Zelt will, der ist hier goldrichtig. Dafür werde wir irgendwann nochmals hingehen!

Ist Reisen in Australien auf eigene Faust einfach oder schwierig?

Ich finde es sehr einfach, so lange man sich nicht wirklich ins Outback hinein begibt. Es gibt sehr gutes Karten- und Infomaterial und gute Reiseführer; überall hat es Bancomaten; mit Telstra hat man eine sehr gute Abdeckung mit dem Mobiltelefon und mobilem Internet (wireless broadband); grosse Supermärkte (Coles, Woolworths, Safeway) oder kleine (z.B. Foodworks) gibt's überall. Australien ist sicher und die Leute sind sehr hilfsbereit.

Fährt man auf Pisten oder gar auf eigene Faust im Outback, dann muss man sich vorher unbedingt genau informieren und mindestens mit zwei Fahrzeugen reisen. Es gibt Strecken, da kommt wochenweise niemand vorbei. Ein Satellitentelefon ist dann sicher ein gute Idee. Wir haben unser Thuraya mit der Swisscom-SIM-Karte betrieben; dadurch braucht man kein spezielles und teures Abo.

Hat sich Euer Kasbah bewährt?

Und wie! Australien ist genau das Land, um ein solches Fahrzeug zu nutzen. Wir haben das Auto ja für eine zukünftige Reise nach Südamerika aufgebaut, und es war zeitlich nur mit dem grossen Schuhlöffel möglich, es gerade noch rechtzeitig so weit fertigzukriegen, dass es überhaupt sinnvoll war, es nach Australien mitzunehmen. Inzwischen ist es, wenn auch noch nicht fertig (wird es das überhaupt jemals?), reisetauglich und bereits reiseerprobt. Wir sind eine Woche autark (Wasser, Lebensmittel) und haben eine Reichweite von über 2000 km, bevor wir wieder die Zivilisation brauchen (tanken, Wasser auffüllen, einkaufen, waschen, Akkus laden, etc.)


Wurdet Ihr oft auf das Auto angesprochen?

Zeitweise mehrmals täglich. Wir hätten es mehrfach verkaufen können, denn so etwas verkehrt in Australien kaum. Dort ist ein klassisches 4x4-Fahrzeug (Toyota Landcruiser, Nissan Patrol, o.ä.) mit oder ohne geländegängigen Anhänger gebräuchlich. Oder dann das normale, nicht geländefähige Wohnmobil in jeder Grösse.
Aus diesen Gesprächen haben wir sehr viel gelernt und viele interessante Leute getroffen. Ich komme mittlerweile zum Schluss, dass es sich lohnt, ein aussergewöhnliches Fahrzeug zu haben, egal wie alt oder modern. Ein umgebautes Feuerwehrauto wäre ideal. Man erfährt so viel Interesse und Unterstützung von der lokalen Bevölkerung, und etwas besseres kann einem beim Reisen gar nicht passieren: die Zeit der Locals zu haben und ihre Meinung zu ihrem Land, zu ihrer Regierung, zu ihren Problemen zu hören. Das entgeht einem, wenn man ein Nullachtfünfzehn-Vehikel unterwegs ist.

Wie viele Bilder habt ihr geschossen?

In dem Jahr in Melbourne ungefähr 1500 und beim Reisen gut 2000. Letztere sind immer noch "in der Mache", ich werde dann eine Auswahl ins Internet stellen und den Link in einem Blog-Eintrag bekanntgeben.


Ist Australien damit für Euch reisemässig abgehakt?

Ganz im Gegenteil. Wir haben ja erst ein bisschen vom Süden und vom Zentrum gesehen. Wir können uns dort leicht nochmals sechs bis zwölf Monate "beschäftigen". Aber nicht gerade nächstes Jahr.

Montag, 7. März 2011

Interview — Teil 4

Teil 1
Teil 2
Teil 3 

Arbeiten in Melbourne

A380

Coooo-eeee: Wir sitzen jetzt hier im Flughafen Dubai – bist Du gut gereist?

Oliver: Super, sogar. Der Hinflug von Dubai nach Melbourne war die Hölle, weil in der B777 der Fussraum vor dem Sitz mit dem blöden Computer für das In-Flight Entertainment System versperrt war. Ich konnte kaum sitzen, geschweige denn schlafen, und hatte danach ein paar Wochen Rückenweh. Der Grund, weshalb ich jetzt doch wieder mit Emirates geflogen bin, war die Aussicht, im neuen A380 zu reisen. Das ist der Riesenvogel mit einer Kapazität von 800 Personen.

Und?

Endlich mal genügen Knieraum

Ich bin begeistert. Man hat auch in der Economy-Klasse gut Platz. Die Gänge sind breit, es hat vier Toiletten statt nur zwei, und es gibt Economy-Plätze praktisch in der Nase des Flugzeugs, wo es recht ruhig ist. Zudem kann man bei Emirates 30 kg Check-In-Gepäck mitnehmen, worum ich sehr froh war.


Zurück zu unserem eigentlichen Interview: Wie ging es mit Deinem Job in Melbourne?

Ich hatte gleich zweifach Glück: zum einen fand ich eine interessante Arbeit, die mich forderte. Und zum anderen stiess ich so früh zum Team, dass ich dem Produkt meinen Stempel aufdrücken und bei wichtigen Technologieauswahlen mitbestimmen konnte. Ich gehe jetzt hier nicht in die technischen Details; wir spezifizierten und bauten von Grund auf ein neues grafisches Werkzeug und eine Server-Umgebung für das Workflow-Design und die Abarbeitung von Kreditanträgen. Technisch konnte ich fast dort weiterarbeiten, wo ich bei Paranor aufgehört hatte und dann noch Erfahrung aus früheren Projekten zugeben. Ich habe Modelle für den Workflow und für die grafische Oberfläche erarbeitet, von denen wir — wie bei Paranor — relativ viel Code generieren konnten.

Da Jeannines Job von Anfang an auf November 2010 befristet war, terminierte ich meinen Vertrag auch auf November, obwohl das Projekt dann in der heissesten Phase war. Das war etwas schade, denn ich mache Sachen gerne fertig. Vor zwei Wochen ging ich aber für einen Nachmittag zu Veda zurück, um das Team ein letztesmal zu treffen und mir das nun fast fertige Produkt vorführen zu lassen. Es kommt gut!

Bild Stand Oktober 2010 (veraltet)

War es eine gute Erfahrung?

Und wie! Obwohl der Projektleiter ein Ei war und von Software-Spezifikation und -Bau keine Ahnung hatte, jedoch überall mitentscheiden wollte. Das führte zu vielen einer Erbsenzählerei und nützte das Team ab. Aber weil das Projekt anfangs arg in Schwierigkeiten war, konnte ich massgeblich mithelfen, es auf konzeptuell und technisch gute Schienen zu stellen.

Die Arbeitsumgebung war fundamental anders, das hat mir gefallen (Blog-Eintrag), auch wenn ich mir noch einen neuen Anzug kaufen musste. Das Team bestand aus drei Australiern, einer Australierin, zwei Malaien, drei Russen, einem Serben, drei Indern, einem Amerikaner und mir.


 

Wie funktionierte das Projekt im Vergleich zur Schweiz?

Das Projektvorgehen war fast identisch, denn die IT ist global ziemlich ähnlich aufgestellt. Ich kann nicht sagen, ob die Unterschiede generell mit Australien zu tun hatten, oder ob das in der Schweiz von Firma zu Firma nicht sogar mehr variieren könnte.

Was war der kulturelle Hauptunterschied?

Wie ich bereits früher angetönt hatte: die Leute tun sich schwerer, Verantwortung zu übernehmen; es ist immer der Drang da, bald Resultate zu liefern, auch wenn die Qualität sichtbar darunter leidet; statt Fehler zu analysieren und auch mal jemandem auf die Finger zu klopfen, klopft man sich eher gegenseitig auf die Schultern; und wenn der Tag zu Ende ist, geht man nach Hause und lässt die Arbeit im Büro. Jemand zuhause anrufen erfordert eine echte Ausnahmesituation. Sie wollen in ihrer Freizeit nicht gestört werden. Trotzdem: wir hatten mehrheitlich gute und arbeitswillige Leute im Projekt.

Wie schwierig war es eigentlich, einen Job zu finden?

Ich habe etwa sechs Wochen gebraucht, ca. 20 Bewerbungen eingereicht und mich dreimal vorgestellt. Fast alle Stellen werden online ausgeschrieben, und man bewirbt sich per Email oder über spezielle Online-Plattformen. Das war für mich sehr praktisch.

Ich musste mich zuerst in das Thema "Job finden" einarbeiten, denn ich hatte mich seit 18 Jahren nicht mehr beworben … Meine Erfahrung hat letztlich nicht so sehr gezählt, wie ich mir das erhofft hatte. Wenn die Skills da sind, wird man zum Interview eingeladen, sonst nicht. Deshalb wird im CV grosszügig aufgezählt. Und ich musste lernen, dass das CV letztlich nur dazu da ist, einem einen Interview-Termin zu verschaffen. Mit jeder Bewerbung sendet man einen Brief (covering letter), in dem man darlegt, dass man genau die richtige Person für die ausgeschriebene Stelle ist. Alles entscheidend ist aber das Interview, oft sind es mehrere mit verschiedenen Leuten.


Wie sind die Anstellungsbedingungen?

Generell wird mehr an Contractors vergeben und weniger fest angestellt. Erstere verdienen dann nur die Tage, an denen sie arbeiten. Lustig ist für die Festangestellten das Konzept der sickies (Kranktage), von denen man vertraglich typischerweise zehn pro Jahr zugute hat. Die nimmt man, wenn man selbst oder ein Familienmitgliede krank ist. Fast niemand lässt ungenutzte sickies verfallen, und das wird auch so verstanden. Man erhält am Morgen vom Teamleiter dann auch mal eine Email, "Clark is unwell today and will not be in", und eigentlich weiss jeder, dass der Wind heute gut ist und das Clark gerne windsurft … Und keiner wird am Folgetag Clark zu seinem Gesundheitszustand befragen und diesen so zu einer Notlüge zwingen.

Wie war das Lohnniveau?

Das ist klar tiefer als in der Schweiz. Aber ich hatte von der ausgeschriebenen Rolle her auch nur technische Verantwortung. Projekte leiten wollte ich nicht, weil man da die Kultur und die Firma gut kennen muss, sonst ist es ein Kampf gegen Windmühlen. So kann ich den Lohn nicht 1:1 vergleichen. Gewisse Spezialisten verdienen auch in Melbourne über 150'000 Franken pro Jahr.


Und nun die Preisfrage: würdet Ihr so etwas noch einmal machen?

Nach der Erfahrung in Melbourne müsste die Frage eher lauten, wann macht Ihr das nächstes Mal? Unbedingt, war super!

Wieder Australien?

Eher nein, das hatten wir jetzt. Spanien, Argentinien oder Neuseeland wären nämlich auch ganz interessant. Aber Australien ist ein gutes Land, um Arbeitserfahrung ausserhalb der Schweiz zu sammeln.


(Fortsetzung und Schluss: Teil 5, Reisen)

Samstag, 5. März 2011

Interview — Teil 3

(Dieser Teil des Interviews wurde im Flughafen von Dubai geführt, aber mangels aktuellem Bildmaterial fehlt das Bild ...).

Teil 1
Teil 2

Leben in Melbourne


Coooo-eeee: Was unterscheidet Melbourne von Bern?

Oliver: Zuerst sicher die Grösse, sowohl einwohner- wie auch flächenmässig. Die 3.8 Millionen Leute wohnen vorwiegend in Einfamilienhäusern, welche sich wie in Teppich vom Meer bis in die Hügel gut 20 km dahinter erstrecken. Was in Bern die Altstadt ist, ist in Melbourne der CBD (Central Business District), aber statt Sandsteinbauten sind es Wolkenkratzer.
Viele werden jetzt wohl sagen, in einer so riesigen Stadt ist man doch nur eine Nummer. Das stimmt in gewissem Masse, aber jedes Quartier ist in sich auch wieder eine kleine Stadt. Mit einer eigenen Poststelle, eigenen kleinen Geschäften, Cafés und Restaurants, Supermarkt, etc.. In Prahran gab es zudem den Prahran-Market (Blog-Eintrag von Jeannine). Bereits nach wenigen Wochen wird man von der Postangestellten, vom Barman oder der Gemüseverkäuferin wiedererkannt, und es fühlt sich nicht anders an als in Bern.
Das Meer hat uns sehr gut gefallen; mit dem Velo war es nur 15 Minuten bis zum Strand. Jogging um den und Rudern auf dem See im Albertpark (Blog-Eintrag hier und hier) fühlte sich so gar nicht wie in einer Millionenstadt an.
Wollten wir allerdings aus der Stadt raus, dann waren es nach Osten eine Stunde und nach Westen zwanzig Minuten Autofahrt.

Wie war das Autofahren im Stadtverkehr?

Anders … die Autofahrer sind sehr geduldig und hupen kaum, wenn man mal im Weg steht. An das Linksfahren gewöhnt man sich schnell. Das spezielle am Verkehr in Melbourne ist, dass man als universelle Regel immer in der falschen Spur fährt (meist hat es zwei in jede Richtung). Fährt man in der linken Spur, dann stehen dort nach der nächsten Kreuzung oder Kuppe plötzlich parkierte Autos. Mit 60 km/h muss man dann schnell reagieren, sonst ist man "gefangen". Fährt man hingegen in der rechten Spur, dann will plötzlich vorne dran einer rechts abbiegen, kann aber wegen dem Gegenverkehr nicht, und man kommt wiederum zum Stehen.

Und dann sind da noch die Trams, die stets in der rechten Spur fahren: fährt man in der linken Spur, und das Tram vor einem hält, dann darf man nicht links vorbeifahren, weil die Fahrgäste auf die linke Spur aussteigen; fährt man in der rechten Spur und das Tram vor einem hält, dann hält man notgedrungen auch. Da hilft nur Geduld.
Es ist also eine Art strategisches Spiel mit häufigem Spurwechsel. Am Ende bringt es dann doch selten etwas.

Und im CBD ist da noch der gefürchtete Hook-Turn. Will man in einer zweispurigen Strasse mit Tram nach rechts abbiegen, muss man links (sic!) einspuren. Hat man dem Punkt zum Abbiegen erreicht, hält man an und wartet, bis die Ampel auf rot geht. Das stoppt natürlich auch den Gegenverkehr, und JETZT biegt man rassig über die rechte Spur hinweg ab, bevor die Querstrasse grün hat. Wer gleichzeitig hinter einem links abbiegen wollte, hat Pech gehabt und muss warten …

 Das ominöse Signal: RIGHT TURN FROM LEFT ONLY

Die drei Autos links haben bis jetzt links gewartet, nun biegen sie rechts ab.

Melbourne scheint eine beliebte Stadt zu sein.

Die Sydneysider machen zwar faule Sprüche, aber Melbourne ist dennoch am Wachsen wie verrückt! Am Stadtrand kann man fast zuschauen, wie sich die Stadt in alle Richtungen ausdehnt. Wo vor zwei Jahren noch eine trockene Schafweide war, ist heute ein kleiner See, ein Einkaufszentrum, eine Einkaufstrasse mit aller Art von Geschäften, und darum herum steht eine grössere Zahl von ein- und zweigeschossigen neuen Häusern. Es ist erstaunlich, wie die Stadt mit dem Wachstum fertig wird. Leider kann der öffentliche Verkehr nicht mithalten. Die Regierung von Victoria versucht allerdings aktiv, neue Zuwanderer in die anderen Städte Victorias umzuleiten. Das Nationengemisch in der Stadt ist unglaublich.



Wart Ihr wohl in Melbourne?

Ja, sehr. Ein extrem guter Lifestyle gepaart mit der attraktiven Umgebung (Parks, Meer, Berge, Wälder, Seen, Flüsse, etc.) lädt schon zum Verweilen ein. Melbourne ist nicht so anstrengend wie z.B. Manhattan, wo das Leben in fast unverändertem Takt über 24 Stunden pulsiert, obwohl in Melbourne die Supermärkte auch sieben Tage in der Woche von 6 bis 22 Uhr geöffnet sind. Man kann aber mit dem Velo nicht einfach in 20 Minuten an den Wohlensee entfliehen.

Habt Ihr dort in den 15 Monaten ein soziales Netz aufgebaut?

Nein, es wäre übertrieben, das zu sagen. Die Australier trennen ziemlich strikt zwischen Arbeit und Freizeit. So konnten wir am Abend und übers Wochenende nicht einfach "an unsere Arbeitskollegen andocken", obwohl das gelegentlich möglich war. Es war eine gute Entscheidung, dem Range-Rover-Club beizutreten: dort lernten wir viel übers Geländefahren; nahmen an gemeinsamen Ausfahrten und den monatlichen Club-Meetings teil; halfen mit, einen 34-jährigen Range Rover zu restaurieren; und lernten so recht viele interessante Leute kennen. Speziell Catherine und Peter werden uns hoffentlich als Freunde weiterhin erhalten bleiben.

Ich kann es allen empfehlen, fast egal welchem Club beizutreten und dort mit Gleichgesinnten Zeit zu verbringen. So lernt man die Australier bei dem kennen, was sie am liebsten tun und wo sie auch dementsprechend offen sind.

Was hat Dir an Melbourne am besten gefallen?


Die Café- und Restaurant-Szene; die Arkaden im CBD; und die vielen Parks, vor allem der Botanische Garten. Aber Melbourne ohne das umgebende Victoria wäre nicht halb so lebenswert. Victoria wird zu unrecht bei Australienreisen "übersehen", dabei hat es viel, viel mehr zu bieten als nur die Great Ocean Road!


(Fortsetzung: Teil 4, Arbeiten in Melbourne)

Donnerstag, 3. März 2011

Interview — Teil 2

(Fortsetzung von Teil 1: Aussie & Aussies)


Coooo-eeee: Welche Werte sind den Australiern wichtig?

Oliver: Die Regierung fördert aktiv die multikulturelle Gesellschaft: eingewanderte Familien werden ermutigt, die Kultur ihres Herkunftslandes zu pflegen aber gleichzeitig die englische Sprache zu sprechen, die australische Kultur kennenzulernen und sich am öffentlichen Leben zu beteiligen. Gerade Melbourne ist extrem offen für Zugereiste, wie wir das waren. Es ist kein Nachteil, erst seit ein paar Monaten im Land zu sein; was zählt sind die Fähigkeiten und der Wille, mitzuhelfen als Firma oder als Nation erfolgreich zu sein.

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Kritik ist nicht so gerne gehört — man sagt lieber, was gut ist.

Die Familie hat einen sehr hohen Stellenwert, und es ist für Familien mit westlicher Abstammung nicht ungewöhnlich, drei oder vier Kinder zu haben. Die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau ist aber eher traditionell, auch wenn die Frauen im Geschäftsleben "gleicher" gestellt sind als in der Schweiz. Teilzeitanstellung ist viel weniger gebräuchlich als in Europa und für Männer nur selten möglich.

In der Freizeit sind Beruf und Herkunft einer Person kaum ein Thema, wichtiger ist der Charakter. Dafür zählen Statussymbole umso mehr: das grosse Haus, das grosse Auto, das grosse Boot, die lange Antenne auf dem 4x4, etc.  Das ist ein eher einfach gestricktes Muster. Ah, und das Auto oder Boot muss immer tiptop sauber gepützelt sein. Detailing nennt sich das, und es gibt in Melbourne hunderte von Kleinstfirmen, die sich darauf spezialisiert haben. Das eigene "Detailing" ist übrigens auch den Frauen extrem wichtig ;-)

Bleiben wir doch noch einen Moment bei den Mustern ...

O.K., gut, da habe ich schon noch ein paar Beobachtungen. Die Leute leben allgemein mehr in Schemen als in Europa. Man hat sich sozusagen damit arrangiert, nur eine "Nummer" zu sein. Es besteht weniger der Drang nach Individualität, die in der Schweiz manchmal etwas verkrampft wirkt. Der Australier ist eher stereotyp, d.h. man findet leicht Leute mit denselben Lebens- und Ausdrucksmustern. Das ist ja ein bisschen überall so, jedoch scheinen mir einige dieser Stereotypen eher abgegriffen und überlebt. Das kann man an den Männern und ihren Autos gut beobachten (Blog-Eintrag). Ebenso: alle Töfffahrer tragen lange Tarnhosen; stundenlang über Fischen oder Footy diskutieren und dazu ein Bier nach dem anderen Trinken, etc. Ähnliches gibt es bei den Frauen auch.

Wo man in der Schweiz eher die Nische sucht, wollen sich die Australier mit den anderen messen. Firmen gleicher Art haben ihr Geschäft an der gleichen Strasse; Kumpel haben (fast) dasselbe Auto; Frauen (fast) dieselben Schuhe. Man ist dafür mehr darauf fokussiert, die eigenen Vorteile herauszustreichen und die Schattenseiten einfach auszublenden. Das können sie gut, und da haben wir als Schweizer keinen "Stich" — wir halten uns ewig mit den Mängeln auf und übersehen dafür das Herausragende.

Die Frauen versuchen, Frauen zu sein statt sich an den Männern zu orientieren. Make-up, Frisur, High-heels und kurze Kleider sind die Mittel. Die Finger- und Zehennägel lassen sie in einem der tausend Studios pflegen. Und am Freitagabend ist alles nochmals etwas extremer.

Während im Geschäftlichen Mann und Frau möglichst gleich auftreten und behandelt werden wollen, ist es im Privaten genau das Gegenteil. Am Abend trifft man viele reine Frauengruppen oder Männergruppen, die ganz andere Interessen haben (girlie thing, bloke thing) und sich ganz anders verhalten.


Die Männer haben ein Identitätsproblem und scheinen nicht mehr zu wissen, ob sie Macho oder Softie sein sollen. So gibt es beide Sorten und alle Zwischenstufen. Den Crocodile Dundee findet man allerdings nur noch selten. Ich glaube, in der Schweiz eifern die Männer weniger eine Rolle (role model) nach und fühlen sich ehrlich gut so, wie sie ihr Leben arrangiert haben. Diese Rollen-Prototypen ziehen sich in Australien auch in die Familie hinein, wo die Frau von den Männern öfter als Kontrollinstanz hingestellt wird (z.B. "the handbrake" genannt), nach dem Motto, "ich kann mir keine neuen Felgen fürs Auto leisten, weil meine Frau das nie zulassen würde". Das führt dann zu Spannungen und Unzufriedenheiten, die nicht sein müssten, weil die Frauen mit dieser Rolle nämlich auch nicht zufrieden sind. Aber die materiellen Zwänge und die Statussymbole verlangen nach Ausgaben, die das Budget zum (Über-) Leben zu sprengen drohen. Eine billige Wohnung zu mieten ist nicht möglich, weil kein Angebot besteht. So haben die meisten ein Haus mit einer Hypothek, die sie zum Geldverdienen zwingt. Dem kann man sich nicht einfach entziehen.

Ist Australien eine materialistische Gesellschaft?

Ja, finde ich. Es ist unheimlich, welche Masse an Konsumgütern viele Familien besitzen. Mindestens zwei Autos, mehrere Flachbildfernseher, mehrere Computer, ungezählte Mobiltelefone, riesige Kühlschränke, Maschinen für alles und jedes, ein Motorboot, einen Anhänger, einen Motocrosstöff, ein Wohnwagen, etc. Garagen und Hinterhöfe voll Zeug. Sie würden sich besser mehr Velos kaufen als mehr Motorisiertes.


Obwohl es viele Australier gibt, die zwei oder sogar drei Jobs haben, um der Familie das Überleben sichern zu können, hat der Durchschnitt — mindestens in den grösseren Städten — einen sehr hohen Lebensstandard. Sehr viele neue und teure Autos sind unterwegs.
Wie schon erwähnt, hat Australien die Finanzkrise ziemlich unbeschadet überstanden. Eine Massnahme der Regierung war, jedem Bürger 500 Dollars (oder so) zu schenken, damit er sie ausgibt. Das hat natürlich vor allem den Konsum gefördert, aber das war auch das Ziel.

Was waren Eure Erfahrungen mit den Behörden?

Da kann ich wirklich nicht viel Negatives sagen. Da es traditionell sehr viele Leute gibt, die weit von Städten und Ämtern weg wohnen, konnte man schon immer das Meiste übers Telefon erledigen. Nun ist es das Internet. Es gibt fast alles online, und die Formulare sind stets übersichtlich und klar erklärt. Ich möchte das von der Schweiz auch sagen können ...

Unser Arbeitsvisum hatten wir in weniger als drei Wochen; es kam als Email. Das war's; kein Aufkleber im Pass oder so. Unbürokratisch, sozusagen. Einwanderer und Visas sind ein Geschäft für den Staat, das muss man klar sehen, da lohnt sich Effizienz.

Die Steuererklärung scheint einfacher als in der Schweiz (wir liessen sie beide machen); zwei Wochen später waren wir definitiv veranlagt, und die zu viel bezahlten Steuern (Quellensteuer) wurde innert zehn Tagen erstattet.

Einzig während ich versuchte, unser Auto zu versichern, war ich dem Schreien nahe. Es wusste bei VicRoads (Strassenverkehrsamt von Victoria) einfach keiner, was sie mit einem Schweizer Fahrzeug tun sollten. Und bei jedem Anruf ist man wieder für zehn Minuten in der Warteschlange. Schliesslich wusste es doch eine Frau, die lange genug dabei war.


Woran hast Du Dich nicht gewöhnen können?

Oftmals denken die Leute einfach nicht und folgen einer übervereinfachten Vorschrift, die man ihnen einmal eingetrichtert oder auferlegt hat. Am meisten ärgert mich das, wenn es um Sicherheit geht, oder sollte ich besser sagen, Scheinsicherheit. Das führt am Ende dazu (wie in diesem Blog-Eintrag ausgeführt), dass keiner mehr Verantwortung übernehmen oder ein Risiko eingehen will, weil man ihm sonst vielleicht das Nichteinhalten einer Vorschrift nachweisen könnte, die so allgemein gehalten ist, dass alles darunter fallen muss. Es ist diese Kultur der Absicherung ("cover ass"), die mich stört.
Im Flughafen Melbourne erklärte ein Herr mit Mikrofon den Wartenden, dass nur maximal 100 ml Flüssigkeiten mit in die Flugzeugkabine genommen werden können. Und als Mass nehme man die auf die Packung aufgedruckte Menge, nicht den effektiven Inhalt. Dazu hielt eine fast ausgedrückte Tube mit Aufdruck 150 ml in die Luft, und fügte beinahe stolz an, "we will take this away from you!".

Das zweite ist der sogenannte quick win — alle wolle immer den schnellen return on investment, und wenige sind bereit, in Qualität zu investieren. Das hätte eigentlich bei den Werten noch anfügen sollen. Ich muss sagen, dass ich auch oft beeindruckt war, wie man in Australien Probleme auf pragmatische Art und ohne grosse Ausgaben löst. Allein das Argument, dass eine Lösung qualitativ besser ist als eine andere, reicht nicht. Es wird vorsichtiger abgewogen, ob sich die Qualität auch rechnet, was eigentlich gut ist. Problematisch — oder schon fast fatal — wird es aber, wenn die Periode für die Amortisation nur ein, zwei oder drei Jahre sein darf. Dann muss alles Visionäre sterben. Die Regierung kann fast keine Projekte angehen, die sich nicht innert einer Amtsperiode umsetzen lassen, sonst steht sie vor der nächsten Wahl ohne greifbare Resultate (achievements) da und wird nicht wiedergewählt.


Umweltschutz gehört auch in diese Kategorie. Praktisch der ganze Strom, den Victoria verbraucht — und das sind immerhin 5.5 Mio Einwohner — stammt aus Braunkohle. Und das bei all der Sonne, dem Wind und der Wellenkraft, die verfügbar wären. Häuser sind kaum isoliert und müssen im Sommer bei Temperaturen von bis zu 45°C gekühlt, im Winter geheizt werden. Viele Autos haben durstige 6- oder 8-Zylindermotoren. Rezyklierbarer Abfall wird zwar eingesammelt, aber der grosse Rest wird deponiert und nicht etwa verbrannt (Wärmerückgewinnung). Es ist auf kurze Frist eben günstiger, weiter zu verfahren wie bisher. Zu allem Überdruss haben die Aussies dann auch noch das Gefühl, sie seien unter den Weltbesten, wenn sie ein bisschen Abfall trennen.

Was hast Du an den Australiern besonders schätzen gelernt?

Sie sind wirklich sehr offen und hilfsbereit und lassen einem teilhaben an ihrem Leben. Wir fühlten uns jederzeit willkommen. Wenn man mal ein bisschen smalltalk mit einem Australier gemacht hat, dann gibt er einem auch noch einen Geheimtipp, was man unbedingt tun oder sehen muss. Das ist wirklich toll.


(Fortsetzung: Teil 3, Leben und Arbeiten in Melbourne)

Mittwoch, 2. März 2011

Interview with self — Teil 1

Coooo-eeee hat Oliver in Neuseeland zu einem Interview getroffen.

Coooo-eeee: Australien ist ja das Traumauswanderungsland vieler Europäer. Kommt Ihr überhaupt in die Schweiz zurück und für wie lange?

Oliver: Nun, es war ja immer unser Plan, nach einem Jahr Arbeiten und etwas Reisen wieder zurückzukehren. Wir haben die Wohnung in Bern behalten, und Jeannine ist bereits in China, wo sie mit ihren alten/neuen Chef zusammen eine Fabrik von ABF besucht. Deshalb: ja, wir gehen zurück und zwar am kommenden Samstag.


Habt Ihr mit dem Gedanken gespielt, länger zu bleiben?

Das haben wir in der Tat. Wir könnten es uns durchaus vorstellen, auch mal ein paar Jahre in Australien oder einem anderen Land zu leben. Auswandern würde ich das aber nicht nennen, das tönt so definitiv.

Und weshalb nicht gleich jetzt verlängern?

Es war von Anfang an alles auf diese 15 Monate ausgerichtet. Unsere Arbeitsverträge liefen nur bis November, und unser Auto konnte nur bis März 2011 in Australien bleiben. Da wollten wir natürlich davon profitieren, so lange es verfügbar war. Es schaukelt jetzt schon wieder der Schweiz entgegen.


Jeannines Arbeit war gut für ein Jahr, aber sie hätte den Vertrag nicht verlängert. Dann war auch unsere Wohnung in Bern befristet untervermietet. Und last but not least freuen wir uns auch darauf, unsere Freunde und Familie wiederzusehen.


Aussie & Aussies 

Wie hast Du Eure Zeit in Australien erlebt?

Ich bin sehr positiv überrascht. Wir hatten ja schon länger mit dem Gedanken gespielt, einmal ein oder zwei Jahre im Ausland zu arbeiten, haben aber nie konkret etwas unternommen. Ich muss ehrlich sagen, dass wir uns ziemlich sicher nicht Australien dazu ausgesucht hätten. Jeannine und ich waren, unabhängig von einander, in den frühen 90er-Jahren in Australien gewesen und danach mehrere Male länger in Neuseeland, welches wir von den Menschen her als interessanter erlebten.

Dann bist Du mit gewissen Vorbehalten nach Australien gekommen?

Ich habe bewusst versucht, genau dies nicht zu tun, und offen zu sein für Kultur, Leute und Sitten. Während ich von früher den Eindruck mitgenommen hatte, dass sich die Australier im Allgemeinen nicht um den Rest der Welt kümmern und auch nicht viel darüber wissen (ganz im Gegensatz zu den Neuseeländern), musste ich mit Erstaunen feststellen, wie viele Australier, die wir kennenlernten, bereits in Europa waren oder sogar schon dort gearbeitet hatten.

Die Australier als poliglottes und weltgewandtes Volk also?

So weit würde ich nun auch wieder nicht gehen, und ich muss da auch vorsichtig sein. 1992 trat die Schweiz an der Weltausstellung in Sevilla mit dem Slogan auf, "La Suisse n'existe pas". Das hat damals viele Schweizer empört, weil sie den Sinn nicht erfassten, denn die Betonung lag auf dem "La", Die Schweiz. Dasselbe gilt auch für Australien. Es ist so vielgestaltig und vielschichtig, dass ich nach einem Jahr insgesamt nur wenig gesehen habe. Wenn ich im Folgenden Australien oder Australier sage, dann kann ich eigentlich nur über Melbourne und Victoria eine etwas fundiertere Aussage machen.

In Sachen Konsum ist Australien sicher ganz vorne dabei. Und "dank" der Globalisierung sind hier alle Weltmarken vertreten und bekannt. Australien hat sich ziemlich gut aus der Finanzkrise rausgehalten, die Löhne sind sogar gestiegen und der Nationalstolz zu recht auch. Letzterer ist allgegenwärtig und führt teilweise zu einer Blindheit, die man in der Schweiz und in den USA auch beobachten kann: was von aussen kommt, kann nichts sein. Dies vor allem, weil man nicht über den Tellerrand hinausschaut, bzw. das andere nicht besser kennt, oder weil es "immer schon so war". Overseas und Europe bedeuten in Australien oft nicht Rest der Welt, respektive Europa, sondern meist nur Grossbritannien, weil viele halt nur das kennen oder nur Studien von dort in Betracht ziehen. Jeannine könnte ein Lied davon singen.

Wer oder was interessiert die Australier dann vor allem?

Vor allem Australien und die Australier selbst. Die lokale Politik und Wirtschaft hat den grössten Stellenwert, etwa gleichauf mit Persönlichkeiten aus Sport, Politik und Gesellschaft. Die internationale Politik scheint nur insofern bedeutsam, als dass Australien betroffen ist. In The Age, der grössten Tageszeitung in Melbourne, bringen es die internationalen Neuigkeiten gerade mal auf drei Seiten von über fünfzig, und sogar dort geht es dann oft eher um Oprah Winfrey als um die Finanzkrise in der EU. Mittlerweile wird wirtschaftlich mehr auf Asien geschaut als auf die USA und Europa. Das ist auch klar, denn fast alle Güter des täglichen Gebrauchs kommen aus China.
Oft fand ich auch die Gewichtung von Themen schräg. In Melbournes meistgehörtem Radio, Radio 101.1, dominieren in den 07:00-Uhr-Nachrichten Schlagzeilen wie, "Two cats died in a house fire in Saint Kilda tonight", während am Tag zuvor der US-Dollar abgestürzt war, was unerwähnt blieb.
Fairerweise muss ich aber anfügen, dass sich Australien z.B. in Afghanistan militärisch überproportional stark engagiert und australische Soldaten dort ihr Leben verlieren.

Wie kann man Australiern eine Freude machen?

Indem man das Land rühmt, das kommt immer gut an. Ist in der Schweiz ja auch ein bisschen so. Wenn einem etwas nicht so gefällt, dann schweigt man aber besser und äussert sich über etwas, was einem wirklich gefallen hat, denn davon gibt es immer genug.


Und wie macht man Australiern keine Freude?

Wenn man ein Gespräch über die Aboriginees anreisst. Das ist ein so riesiges, ungelöstes Problem, wo alle hilflos sind und am liebsten nicht darüber sprechen. Ebenfalls keine Freunde schafft man sich, wenn man ein Witzchen macht, das auf die Strafkolonien vor 200 Jahren anspielt. Das ist etwa, wie wenn ein Deutscher in der Schweiz "zwanzig Fränkliii" sagt.

(Fortsetzung: Teil 2, Aussie & Aussies)