Donnerstag, 14. März 2013

Langsam bereit für die Energiewende

18 Monate und gefühlte 10'000 Seiten Studienmaterial später habe ich endlich wieder einmal die Musse, "Coooo-eeee" zu rufen!


Es sind Semesterferien, und die Semesterendprüfungen liegen bereits hinter mir. (Zur Erinnerung: im Oktober 2011 begann ich ein berufsbegleitendes Fernstudium in Energiemanagement an der Universität Koblenz-Landau in Deutschland, die auch diverse andere Fernstudienlehrgänge für ca. 2'000 Studenten wie mich anbietet, während das "Kerngeschäft" bei den rund 10'000 Vollzeitstudenten liegt. In Energiemanagement sind pro Studienjahrgang etwa 60 Studenten eingeschrieben. Das Studium schliesst mir einem Master of Science ab, ist in acht Module aufgeteilt und flexibel gestaltet, indem man jedes Semester aufs Neue selbst den Gang einlegen kann: 1. Gang = 1 Modul; 2. Gang = 1.5 Module; 3. Gang = 2 Module. Fährt man das ganze Studium im 1. Gang, dauert es also vier Jahre, im 2. Gang drei Jahre und im 3. zwei Jahre. Meine Tätigkeit bei Paranor AG reduzierte ich zum Studienbeginn auf 60%.)

Ein Semester sieht jeweils so aus, dass man ein Päckli mit Skripten zu den gewählten Modulen erhält. Pro Modul kommen so 500 bis 900 Seiten zusammen, die in Skripten für verschiedene Fächer aufgeteilt sind, oder es werden Standardwerke verwendet …


Das erste Semester begann gleich mit Thermodynamik (das ist die Physik der Wärme, im Bild ganz links) und elektrischer Energietechnik auf der technischen Schiene; mit Rechnungswesen, Investitionsrechnung, Umweltökonomie, nachhaltigem Stoffstrommangement, Marketing, etc. auf der ökonomischen Schiene. Im zweiten Semester folgten die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft (dritter Stapel von links), sowie rationelle Energieanwendung, Kraftwerkstechnik, technische Gebäudeausrüstung, etc. Noch interessanter war das dritte Semester mit den erneuerbaren Energien (fünfter Stapel von links) sowie mit den dezentralen Energiestrukturen, dem Energiemanagement in Gebäuden und Unternehmen, etc. Die Skripten sind über alles gesehen sehr gut; es hatte einige Perlen darunter, andere verursachten durch Ungenauigkeiten und durch den Versuch, zu viel Stoff auf zu wenigen Seiten zu erklären, viel Zusatzaufwand und die Notwendigkeit nach weiterem Lesematerial (Amazon sei dank, Stapel ganz rechts).

Zweimal im Semester gibt es Präsenzwochenenden an der Uni in Koblenz, wo die Autoren der Skripten Themen erläutern, Übungen vorlösen und Fragen beantworten. Bei diesen Gelegenheiten konnte ich mich regelmässig von der Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn überzeugen, und wir sprechen hier nicht von 10 Minuten sondern von einer halben Stunde oder mehr, so viel jedenfalls, dass man immer gerade den Anschlusszug verpasst, während der eigene Zug jeweils alle Anschlüsse abzuwarten scheint.

Ebenfalls zweimal im Semester hat man für jedes Fach eine Aufgabenserie zu lösen und einzusenden. Ist bei jeder Serie mindestens die Hälfte der mögliche Punkte erreicht, ist man an die Prüfung zugelassen. Geprüft wird in einem Netzwerk deutscher Fernuniversitäten, deren Prüfungen alle zum exakt gleichen Zeitpunkt in vielen, über ganz Deutschland verteilten Studienzentren stattfinden. So stand jeweils nur eine Fahrt nach Karlsruhe statt nach Koblenz an, das noch etwa zwei Bahnstunden weiter nordwestlich liegt.


Zuerst musste ich wieder lernen lernen, schliesslich waren seit ETH-Zeiten 20 Jahre vergangen, in denen ich nie mehr ein Fachbuch zu Ende lesen, geschweige denn darüber eine Prüfung ablegen musste — und zum Schluss sogar noch eine Note erhielt. Es ist ein alte Weisheit, wenn ich jetzt hier anmerke, dass der Stoff mit zunehmendem Alter nicht mehr so leicht haften bleibt. Aber es ist leider so. Oftmals las ich ein Script nach Wochen ein zweitesmal und wunderte mich, wer hier schon Passagen angestrichen oder Notizen gemacht hatte … Trotzdem war es eine sehr bereichernde Erfahrung und eine Bestätigung, dass ich mit 47 noch umfangreichen Stoff begreifen und auf einen bestimmten Zeitpunkt in den Speicher laden kann, auch wenn der Zeitaufwand dafür im Steigen begriffen ist.

Der Lernstoff jedes Semesters war immer noch umfangreicher als für das vorangegangene. Das ist der Grund, weshalb von meiner Seite auf fast allen Kanälen weitgehend Funkstille herrschte; ich hoffe, das wird jetzt wieder besser. Nach dreimal zwei Modulen pro Semester mit sehr grossem Zeitaufwand (mein Mountain Bike sah letzten Sommer keine zehnmal das Licht), schalte ich jetzt einen Gang herunter: Modul 7 (Sommer 2013) sei noch umfangreicher als die bisherigen, und für die Masterarbeit (Winter 2013/14) möchte ich genügend Zeit haben. Wenn weiterhin alles nach Plan läuft, dann bin ich in genau einem Jahr durch. "She'll be apples, mate!", sagen die Australier, "Wird schon gut gehen!".

Und dann? — Dann werde ich es erst einmal geniessen, "nur" meinen day job zum machen. Und dann muss ich mir langsam überlegen, wie ich Energiemanagement mit Informatik verbinden soll; im Moment herrscht in der Schweiz in Energiefragen so richtig Aufbruchstimmung, das ist motivierend! Und dann steht vielleicht auch wieder einmal eine längere Reise auf dem Programm, schliesslich haben wir Kasbah ja für Südamerika konzipiert. Dass er in Australien seinen ersten Einsatz haben würde, war nie geplant. Aber bis dahin müssen wir mit Camping im Europa-Stil vorlieb nehmen.


Als kleiner Bezug zu Coooo-eeee und Australien erhalten wir im April und im September Besuch von Freunden aus Melbourne. Das gibt dann zweimal Tour-de-Suisse :-)