Mittwoch, 23. Februar 2011

Wooden-Boat Festival

Das Wooden-Boat Festival in Hobart ist, vereinfacht gesagt, ein Anlass zur Förderung von Holzbooten aller Art. Grosse, kleine, alte, neue, renovierte; Segelboote, Ruderboote, Motorboote, Kajaks — you name it. Vier Tage lang brodelt es im und um den Hafen im Stadtzentrum. Der Eintritt ist gratis.


Es wird ausgestellt, vorgeführt, ausgebildet, angepriesen, gefragt, gefeilscht, gesegelt und ... vor allem geschaut.


Die oft von Privaten und Hobbyschiffsbauern hergezeigte Fertigkeit ist ganz erstaunlich.



 Holzkajaks mit Wandstärken von nur 3 oder 4 Millimetern werden vorzugsweise mit einer hauchdünnen Glasfaser-und-Harz-Haut überzogen, die von blossem Auge kaum erkennbar ist.

Es gibt aber auch Demonstrationen, wo Profis zeigen, wie's richtig gemacht wird.


Besonders angetan hat es mir Peter Ingram-Jones mit seinen ultraleichten Kanus (7 kg, um AU$ 4000), wo schon der Name der Firma Bände spricht:



Im Sommer ein Kanu, im Winter ein Lampenschirm: www.canoesandlampshades.com. Sein Stand war eine Augenweide, da er offenbar ebenso gut fotografiert wie Boote baut.



Am besten gefallen hat mir aber die Quick'n Dirty Boat Building Challenge, in der Gruppen von Jugendlichen in drei Stunden selbst ein Holzboot bauen, es am Folgetag anmalen und schliesslich in einer kleinen Regatte ausprobieren.



Gebaut wird mit 4mm-Sperrholz, 40x20mm-Latten, Nägeln, Kabelbindern und Dichtmasse; keine Schrauben, keine Seile. Erwachsene sind nicht zugelassen, Betreuer helfen, wenn's nicht mehr weitergeht.


 Sogar ein sogn. Outrigger wurde gebaut.

So wird die nächste Generation von Holzbootsbauern an das Handwerk herangeführt!

Dienstag, 15. Februar 2011

Wooden-Boat School

Als alter Bootsbauer ... ok, ich habe für den Kingcat M270 nur die Bits und Bytes richtig sortert ... freute es mich zu sehen, dass das Interesse an Booten und die hohe Kunst des Schiffsbau mit Holz in Tasmanien hoch gehalten wird.


Tasmanien hat eine lange -- und teilweise kontroverse -- Geschichte in der Holzgewinnung1; wertvolle Hölzer waren schon vor 200 Jahren ein wichtiger Motivator in der Entwicklung und Besiedlung der Insel und sind es bis heute geblieben.

Das wertvollste und von Bootsbauern, Möbelschreinern und Zimmerleuten am meisten geschätzte Holz ist die Huon Pine, welche nur in Tasmanien vorkommt. Die Huon Pine wächste nur ein paar Zentimeter pro Jahr, hat ein relativ leichtes und einfach zu bearbeitendes, gelbliches Holz. Huon Pines sind geschützt, weil sie mehrere hundert Jahre wachsen müssen, bevor sie genutzt werden können, die ältesten Exemplare sind weit über 1000 Jahre alt. Was das Holz vor allem einzigartig macht, ist sein hoher Gehalt an Methyl-Eugenol, welches es praktisch verrottungsfrei macht.

Neben der Huon Pine gibt es noch weitere tasmanische Hölzer wie die King William Pine oder das Celery Top Wood, welche im Bootsbau eingesetzt werden. Tasmanien hat wohl eine lange und erfolgreiche Schiffbautradition, welche aber mit der Einführung von Kunststoffschiffen mehr und mehr verdrängt wurde.
In den letzten 20 Jahren wurden dieses Wissen und Handwerk jedoch gezielt wieder gefördert und ihr Image verbessert. Ein Idealist in Franklin (Google Maps) die Wooden-Boat School gegründet, welche einen ausgezeichneten Ruf erlangt hat.


Es gibt sogar Stipendien, aber den Hauptanteil der Kosten dieser 18 Monate dauernden Ausbildung bezahlen die Teilnehmer selbst. Pro Lehrgang nimmt die Schule ein Bootsprojekt an, das von einer Privateperson gesponsert wird. Gebaut wird ausschliesslich in Huon Pine.




Hier geniesst die Schule ein Sonderrecht, denn der Staat Tasmanien sorgt dafür, dass sie das benötigte geschützte Holz erhält. Es kostet roh 8500 Dollar pro Kubikmeter; die reinen Materialkosten für ein solches Schiff betragen meist um die 500'000 Dollar. Dafür erhält der Sponsor am Ende das fertige Schiff, das leicht das doppelte wert ist. Zum Abschluss des Lehrgangs wird das fertige Boot in einem Dorffest getauft und zu Wasser gelassen. In vier Wochen ist es wieder so weit.


Das Wooden-Boat Centre, in dem die Wooden-Boat School zuhause ist, verfügt über einen Showroom und bietet Führungen an, die sich sehr lohnen. Es ist erstaunlich, mit welchem Elan und Eifer hier im Süden Tasmanien wieder Holzboote aller Art entworfen, gebaut, gehandelt und gebraucht werden. Die Krönung ist das zweijährlich veranstaltete Wooden Boat Festival im Hafen von Hobart, welches vergangenes Wochenende stattfand. Aber mehr dazu im nächsten Eintrag.

1 Naturschutzorganisationen kämpfen für Erhaltung und gesetzlichen Schutz der alten Wälder, Holzfirmen vollen sie "nutzen", sprich roden und danach rasch wachsende Monokulturen (v.a.Nadelhölzer) anbauen.

Mittwoch, 9. Februar 2011

Freie Sicht auf den Candle Stick

Der Candle Stick (dt. Kerze; Bildmitte) hat seinen Namen zu recht erhalten:


Man kriegt ihn nur nach knapp zweistündiger Wanderung und etwas waghalsigem Herauslehnen über den Abgrund zu sehen. Warnschilder, Abschrankungen oder sogar Gitter gibt es keine. Das ist erstaunlich, gehört die Wanderung zum Cape Hauy / The Lanterns doch zu den 60 durchwegs schönen Kurzwanderungen von Tasmanien (15 Minuten bis 6 Stunden) und ist einigermassen gut frequentiert.


Natürlich wird in den track notes vor exponierten Wegen gewarnt und man solle Kinder nie aus den Augen lassen. Und ebenso natürlich hat es am trail head das obligate Warnschild.



Oft findet man solche Schilder auch unterwegs, und obwohl wir nun schon viele davon zu Gesicht bekamen, haben wir uns an deren Existenz noch nicht gewöhnt.


Australien folgt nämlich dem schlechten Vorbild der USA und entmündigt die Bürger in beängstigendem Ausmass, die Gerichte unterstützen resp. fördern diese Kultur mit ihrer Rechtssprechung. Bis vor ein paar Jahren konnte man die Aussicht des Genoa Peak (Croajingolong National Park) noch unvergittert geniessen, inzwischen hat sich die Nationalparkverwaltung vor potentiellen Klagen geschützt.



Bevor wir in Sheffield den Audio Guide LINK ausgehändigt erhielten, mussten wir schriftlich erklären, dass wir die zehn (!) Warnungen und Vorschriften auf dem Blatt gelesen und verstanden hatten, und dass wir im Schadenfall nicht gegen das Touristeninformationsbüro klagen würden, welches uns die Gerätchen vermietet hatte. In Colac (Victoria) gibt es einen schönen Veloweg entlang einer ehemaligen Bahnstrecke. Ein pfiffiger Campingplatzhalter vermietet nun Velos nicht an Touristen, er verkauft sie ihnen mit garantiertem Rückkaufpreis. Die Preisdifferenz entspricht dem normalen Mietsatz für ein Velo für einen Tag, aber da das Bike nun temporär nicht mehr dem Verkäufer gehört, ist er von allen Haftungsansprüchen befreit.
Benutzt man den gesunden Menschenverstand (engl. common sense), sind  über 90% aller Warnschilder in Australien überflüssig. Aber mittlerweile ist eine Art Sicherheitshysterie ausgebrochen, und vor allem und jedem wird gewarnt.


Aber nicht nur das: praktisch jeder berufsmässige Strassenverkehrsteilnehmer und Handwerker zieht am Morgen noch vor den Schuhen die gelbe oder orange Leuchtveste an. Und behält sie an, bis er am Abend die Schuhe wieder ausgezogen hat. Wanderer, Kajaker und Velofahrer mögens auch gerne leuchtend. Kinder gehen oder radeln nur noch auf dem Land zur Schule, sonst werden sie vom Schulbus oder von der Mama geführt. In Produktionsbetrieben erhalten Mitarbeiter Bonuspunkte, wenn sie auf potentielle Gefahrenstellen aufmerksam machen; dass der Bürogummi so etwas weniger Gelegenheit hat, sich zu profilieren, versteht sich und ist eine Diskriminierung. Also erhält er seine Punkte, wenn er vorschlägt, dass die Wasserverdunsterbehälter an den Radiatoren regelmässig aufgefüllt werden, weil trockene Luft zu chronischen Atembeschwerden führen könnte.
Und genau deshalb genossen wir es, uns ungesichert über die Klippen zu lehnen, um die spritzende Gischt und den Candle Stick in ihrer ganzen Schönheit geniessen zu können.


Es scheint nun aber doch nicht so, als ob die Nationalpark-Rangers einfach vergessen hätten, Warnschilder oder Zäune anzubringen. Es gibt genau einen Hinweis, "TRACK END 50m", aber wie in der Sackgasse gibt es kein Schild "ENDE DER SACKGASSE" und jeder muss selbst entscheiden, wie weit er noch gehen will. Aber offenbar merken auch die Dümmsten, dass ihnen hier die Versicherung oder die Klage nichts mehr nützen, wenn sie sich zu weit vorlehnen, und die Selbstverantwortung funktioniert von alleine.