Freitag, 25. September 2015

Diamantina Shire, QLD

Warum das Diamantina Shire auch ohne Regenfälle überflutet wird • Wer "the pub with no town" aussticht • Wo ein Polizist für die Fläche von Grossbritannien zuständig ist • Welche Infrastruktur eine abgelegene Outback Town hat.

Bis 1901 wurde Australien politisch als sechs separate englische Kolonien organisiert und regiert. Dann schlossen sich diese zum Commonwealth of Australia zusammen, die Kolonien wurden zu Staaten, und Melbourne wurde temporäre Hauptstadt bis Canberra gegründet war. Der Commonwealth of Australia ist also eine Föderation von Staaten genau so wie die Schweiz eine Föderation von Kantonen ist. Die heutigen Staaten sind — wie bereits die Kolonien — in Shires gegliedert, was wiederum unseren Bezirken entspricht. Und die Shires bestehen aus Communities entsprechend unseren Gemeinden. Und genau so wie es bei den Schweizer Kantonen Kuriositäten gibt (z.B. die Halbkantone oder der Kanton Graubünden, wo drei verschiedene Sprachen gesprochen werden), so gibt es dies auch in Australien.

Outback-Panorama im Diamantina Shire

Diamantina Shire

Das Diamantina Shire (Wikipedia) im westlichen Outback von Queensland ist eine solche Kuriosität mit ganz eigenen Herausforderungen. Unser Lonely Planet schreibt über die Gegend:

You wanted outback, did ya? Well, here it is, mate — miles and bloody square miles of it!

Zuerst einmal ist das Diamantina Shire 95’000 km2 gross, also gut 2.3 mal die Schweiz. Aber es besteht nur aus drei Gemeinden: Bedourie (“Hauptstadt” — ich komme auf die Anführungszeichen zurück), Birdsville und Betoota.




Im Diamantina Shire wird das Geld vor allem mit Rinderzucht und mit Tourismus verdient. Es gibt 11 riesige Stations und drei Nationalparks. Die Niederschläge sind hier im Jahresmittel extrem klein (das Shire liegt ausserhalb der tropischen Zone und erhält keinen Monsunregen wie die Gebiete weiter im Norden) und die Natur ist die meiste Zeit im "Dürreschlaf". Allerdings liegt die Wasserscheide zum Golf von Carpentaria weit nördlich des Shire, und alle paar Jahre läuft ein guter Teil des Monsunregens nach Süden hin ab — und setzt die ganze Region unter Wasser. Dann ist Bedourie auch mal 6 Wochen von der Umwelt abgeschnitten und kann nur mit dem Flugzeug besucht oder beliefert werden. Und wenn das Wasser abgeflossen ist, feuert die Natur aus allen Kanonen: plötzlich ist für Zehntausende Rinder genügend Futter da, die Road Trains fahren Tag und Nacht Tiere aus dem Osten heran, die innerhalb von Wochen auf Schlachtgewicht gemästet und wieder abgeführt werden. Und irgendwann ist das Wasser wieder ausgetrocknet und alles geht wieder in die Dürrestarre.

Bedourie ist auch eine Insel (Quelle)

Wilde Kamele sind keine Seltenheit sondern ein Problem

Von Bedourie nach Birdsville

Ende August / Anfang September findet im Shire der Simpson Desert Racing Carnival statt, in dem an drei aufeinander folgenden Wochenenden jeweils in einer der drei Gemeinden Pferderennen ausgetragen werden. Betoota macht den Anfang. Die Pferde und das Personal reisen per Lastwagen oder Sattelschlepper ein paar Tage vorher an, die Pferdebesitzer fliegen sich zum Renntag ein und landen auf dem asphaltierten aerodrome (Flugplatz). Fliegen ist kein Luxus, denn die nächste richtige Stadt, Mount Isa (23’000 Einwohner), ist gemäss Google Maps mit dem Auto in gut 13 Stunden zu erreichen (854 km, wovon ca. 300 km ungeteert). Bis nach Brisbane, der Hauptstadt von QLD, sind es gar 20 Stunden(1419 km). Von Birdsville aus sind es sogar noch 200 Schotterkilometer mehr. In Betoota gibt es ausser dem racecourse (eine Pferderennbahn und ein paar Wellblech-Gebäude), dem Flugplatz (gleich neben der Rennbahn) und dem alten, verlassenen Betoota Hotel nichts mehr — ausser am Wochenende des Pferderennens natürlich.

Betoota, population: 0

Betoota überbietet damit sogar noch Toompine, wo der Touristenslogan lautet: “Toompine – the pub with no town!”, denn Betoota hat nicht einmal mehr ein pub (Kneipe)

Dagegen ist Birdsville eine Metropole: ein asphaltiertes aerodrome mit zwei Landepisten, ein Roadhouse mit Tankstelle, eine akkreditierte Touristeninformation, ein Dorfladen, ein in ganz Australien bekanntes Hotel mit Kneipe, zwei Campingplätze, eine weit herum bekannte Bäckerei, die noch weiter herum bekannte meat pies (z.B. Curried Camel Pie) macht. Birdsville hat 115 Einwohner und zieht am Rennwochenende 5000 bis 8000 Besucher an. Birdsville ist der Ausgangs- resp. Endpunkt für den legendären Birdsville Track (4WD) und für die Durchquerung der Simpson Desert und deshalb von Touristen gut frequentiert. Und Birdsville hat ein grosses Billabong, das so gut wie nie austrocknet.

Das legendäre Birdsville Hotel

Birdsville Billabong

Bedourie ist die letzte Station der Rennserie und war unsere Destination. Am Freitagabend gab es ein Rodeo, an dem die lokalen Cowboys ihr Können zeigten und ihr Glück versuchten. Die Pferderennen am Samstag waren ganz und gar echt ("true blue Aussie") und von den Einheimischen geprägt — wir waren wohl die einzigen ausländischen Touristen. Bedourie ist mittlerweile fast durchgehend auf Asphaltstrasse zu erreichen, hat ebenfalls ein asphaltiertes aerodrome, ein kleines pub, ein Roadhouse mit Tankstelle, eine akkreditierte Touristeninformation und einen artesian spa (Thermalbad), das heiss, sehr schön und erst noch gratis ist. Mit 140 Einwohnern ist auch Bedourie nicht der Inbegriff einer Stadt, ist aber immerhin Shire-Kapitale.

Bedourie Race, eines von sechs

Aufs falsche Pferd gesetzt: dreimal gewettet, dreimal verloren

Der Cowboyhut hat bei keinem Einheimischen gefehlt

Bedourie Rodeo

Hoppla Schorsch!

Bedourie Ute Muster (verschiedene Fahrzeugkategorien wurden prämiert, mitmachen konnte jeder — wir haben uns nobel zurückgehalten, sonst hätten wir "furthest from home" garantiert gewonnen)

Gute Chancen auf den Sieg in der Kategorie "Bull bar"

Visitor Information im Zentrum von Bedourie

Für das gesamte Shire macht das (inkl. der 14 Stations) 322 Einwohner, also extrem spärlich bevölkert (1 Einwohner pro knapp 300 km2).

Outback-Gemeinden wie Bedourie und Birdsville sind so weit abseits von Kraftwerken, Telefonleitungen, Wasserversorgung, Kanalisation und Abfallentsorgung, dass sie all diese Dienstleistungen selbst erbringen müssen. Das Wasser kommt überall aus sogn. bores (Tiefenbohrungen) ins artesische Grundwasser. Während Birdsville ca. 40% des Stroms über eine Geothermieanlage und den Rest über einen Dieselgenerator deckt, hat Bedourie nur einen Dieselgenerator. Solarstrom? Fehlanzeige. Das lokale Mobiltelefonnetz und Internet sind über Satellitenverbindung angebunden. Der Abfall wird verscharrt, die Abwässer immerhin behandelt. Es gibt regelmässige kommerzielle Flugverbindungen nach Brisbane. Nach 10 Jahren Dienst in Birdsville wird der Dorfpolizist dieses Jahr pensioniert — er ist verantwortlich für ein Gebiet von der Fläche Grossbritanniens, sein nächster Kollege ist 200 km weit weg.

Das Bauamt des Shire unterhält 1'684 km Strasse (5.5 km pro Einwohner), wovon nur geschätzt ein Drittel geteert ist. Früher wurden Lebensmittel, Werkzeuge, etc. mit Karawanen herangeführt, die Post wurde bereits im frühen 20. Jahrhundert motorisiert transportiert. Heute kann man in Bedourie und Birdsville sogar frische Früchte und Gemüse kaufen. Teuer ist es allemal, was nicht verwundern darf.


Buchstäblich ein "Post-Auto"

Quellen: Diamantina Visitors Guide (PDF), Outback Travel Guide

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