Freitag, 21. November 2014

Wie man einen Kontinent "erobert"

Warum wir am richtigen Ort sind • Was Rückkehrer als erstes essen • Weshalb wir nicht mit dem Velo reisen • Wie man die grobe Reiseroute festlegt sollte.

Das Englische hat eine prima Redewendung parat, wenn man vor einer grossen und komplexen Aufgabe steht:

«How do you eat an elephant?» — «One bite at a time.»

Am Montag Abend hat uns eine A380 nach unserem zweiwöchigen Erholungsurlaub in Neuseeland auf den australischen Kontinent gesetzt.


Der Container mit unserem Auto traf bereits ein paar Tage früher in Melbourne ein. Offensichtlich sind wir hier am richtigen Ort, denn es steht auf jedem Auto:


So versuchen wir uns nun an der Aufgabe, uns hier zu organisieren und die kommenden 11 Monate zu planen. Die Hausaufgaben haben wir in dem Sinn nicht gemacht, dass wir mit einer Reiseroute im Gepäck gelandet sind. Den Staat Victoria kennen wir von unserem Jahr in Melbourne in 2010 ziemlich gut. South Australia kennen wir ein wenig. Den Rest kennen wir kaum. Aber das soll sich ja jetzt ändern.

Doch wie nimmt man die "Eroberung" von Australien (zur Erinnerung: Aussie ist 185 Mal so gross wie die Schweiz) konkret in Angriff? — Wenn wir uns an die eingangs beschriebene Hilfestellung halten, dann  «One bite at a time». Auf Deutsch würde man dafür vermutlich sagen, «Schritt um Schritt». Dieses Mal hatten wir die Gelegenheit, ganz vorne zu beginnen:

Schritt 1 — Wohnadresse

Wir landeten in Melbourne um 21:05. Es war bereits dunkel. Auf der arrival declaration war erstmals unsere Wohnadresse gefragt. «Travelling» wäre wohl keine sehr geistreiche Angabe gewesen, es ist allerdings fraglich, ob der Immigrationsbeamte diese beanstandet hätte.


Am Flughafenausgang wurden wir von unseren Freunden David und Robyn erwartet. David hatte mir 2010 hier meinen Job gefunden, und die beiden hatten uns 2013 für zwei Wochen in Bern besucht. So hatten wir den Luxus eines "Taxis" direkt zu ihrem Haus.

Schritt 2 — Orientierung

Vom Fond des Autos aus konnte man nicht so viel erkennen, einiges kam uns dennoch bekannt vor. Von ihrem Haus wussten wir nur, dass es im Nordosten der riesigen Stadt liegt. Am nächsten Morgen waren alle bereits zur Arbeit gegangen, als wir in dem grossen Haus erwachten. Der Blick aus dem Fenster enthüllte nicht den erwarteten Weitblick.


Wo waren wir genau? David oder Robyn anrufen? — Erst einmal vor das Haus treten.


Aha, ein eher privilegiertes Quartier. Google Maps wusste dann bereits, wo wir uns befanden:


Schritt 3 — Essen und Trinken

Der Kühlschrank war wohl gefüllt, und von einem kräftigen Frühstück gestärkt machten wir uns auf die Suche nach dem nächsten Shopping Center. Dort war es auch, wo wir später unsere ersten hand rolls verzehrten: Reisrollen mit einem Kern aus Gemüse oder Fisch, zusammengehalten von einem aus Algen hergestellten Blatt. Dazu etwas Wasabi und Sojasauce. Köstlich. $2.60 das Stück.


Schritt 4 — Geld

Damit wir uns überhaupt etwas kaufen konnten, mussten wir zuerst eine ANZ-Bank finden. Unsere Bankkarten von 2009 funktionierten noch, aber wir werden nun trotzdem neue erhalten. Ohne Wohnadresse ging es aber nicht (siehe Schritt 1).

Schritt 5 — Kommunikation

Das Internet im grossen Haus hatte uns bereits auf die Sprünge geholfen, aber für 11 Monate lohnt sich die Anschaffung von neuen SIM-Karten und Mobile Internet. Hier ist der ehemals staatliche Provider Telstra die logische Wahl, wenn man auf Abdeckung schaut, und diese ist für uns vor allem wichtig. Es nützt nicht viel, die günstigsten Tarife zu haben, wenn man das Netz bereits kurz nach Melbourne hinter sich lässt. Auch hierzu war die Wohnadresse essentiell.

Schritt 6 — Transport

Selbst als längjährige Veloreisende müssen wir eingestehen, dass das Fahrrad nicht das Verkehrsmittel erster Wahl ist, wenn man Australien in einem Jahr flächendeckend erkunden will. Mit Kasbah verfügen wir — nicht ganz zufällig, muss man sagen — über ein äusserst geeignetes Transportmittel. Er kam bereits vor einer Woche hier an. Am Mittwoch holten wir ihn aus dem Container und warten nun darauf, dass er von der Quarantänebehörde inspiziert und freigegeben wird. Die Haftpflichtversicherung wird beim lokalen Strassenverkehrsamt gelöst, das Auto fährt aber mit Schweizer Nummernschildern. Natürlich wollten sie auch hier eine Wohnadresse.


Schritt 7 — Reiseroute

Während die Schweiz klein genug ist, dass man in ein paar Stunden von unten links nach oben rechts fahren kann, muss man sich in Australien wohl oder übel eine Reiseroute zurechtlegen, will man nicht mehrfach den Kontinent durchqueren (zur Erinnerung: Perth (unten links)– Cairns (oben rechts) = 6016 km).

In einem Land, das sich über mehrere Klimazonen erstreckt, ist die zeitlich-räumlich richtige Planung entscheidend. Im Outback ist es im Sommer bei Temperaturen bis gegen 50°C kaum auszuhalten und im Fall einer Panne schlicht zu gefährlich. Im Norden sind in der Regenzeit viele Strassen unpassierbar. Im Süden ist der Winter grauslich feucht, kalt und dunkel.

Und damit sind wir bei unserem aktuellen Planungsstand angelangt. Es ist die Aufgabe der nächsten Tage und Wochen, genauer abzuklären und im Gespräch mit den locals herauszuarbeiten, wann welches Gebiet am besten bereist wird. Im Range Rover Club kennen wir einige Mitglieder, die Australien bereits mehrfach rundherum bereist haben. Eine detaillierte Reiseroute werden wir im voraus aber nicht festlegen, sondern nur versuchen, zur richtigen Zeit im richtigen Teil Australiens zu reisen und uns dabei etwas treiben zu lassen und rollend zu planen. «One bite at a time» eben.

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