Für einmal waren sich die Strassenkarte, der Wegweiser und unser Navigationssystem einig, wie man nach Victor Harbour kommt:
«After 300 metres, turn left!»
Natürlich hatte ich gesehen, dass wir in Wellington (South Australia) über einen Fluss fahren würden, und dachte mir nicht viel dabei, als eine Ampel und eine rot-weisse Barriere die Strasse versperrten. Ausser, "Sieh' mal an, eine Eisenbahnlinie!", was im ländlichen Australien doch ein eher seltenes Ereignis ist. Da vor uns bereits mehrere Fahrzeuge und ein Lastwagen warteten, war nicht allzu viel zu sehen.
Das Navigationssystem beharrte aber darauf, dass wir vor einem Fluss und nicht vor einer Bahnlinie warteten. Eine Zugbrücke? Der Fluss schien jedenfalls ziemlich breit. Da aus den Autos vor uns die Passagiere ausgestiegen waren, taten wir dasselbe und nahmen einen Augenschein. Erst jetzt begann es mir zu dämmern: erstens ist der Fluss der gewaltige Murray River (dem ich mal einen eigenen Blog-Eintrag gewidmet hatte), und zweitens gibt es hier gar keine Brücke.
Seit über 100 Jahren werden Fahrzeuge und Fussgänger nämlich von einer Fähre transportiert, welche sogar gratis ist. Es war ein einigermassen beeindruckendes Schauspiel, mit welcher Selbstverständlichkeit und Ruhe die Fahrzeuge vom Fährmann der «PS Bullfrog» eingewinkt wurden, wie er dann die Barriere senkte, sich ins vordere Führerhaus begab und uns auf die andere Flussseite chauffierte. Und dabei noch die ganze (!) Zeit am Telefon parlierte!
Hin …
… und wieder zurück.
In South Australia gibt es 11 Fähren über den Murray River, die alle gratis sind und 24 Stunden pro Tag, 7 Tage in der Woche verkehren. In Mannum sind es sogar deren zwei: eine grosse und eine kleine:
Technisch sind die Fähren — soweit ich beurteilen kann — alle nach demselben Prinzip gebaut: zwei parallele Stahlkabel (Abstand = Fährenbreite) sind an den Betonrampen beidseits des Flusses verankert. Die Kabel sind so lang, dass sie im Ruhezustand in der Flussmitte mindestens einen Meter unter der Wasseroberfläche sind, sodass Schiffe passieren können. Die Fähre selbst ist ein Ponton mit einer Hydraulikpumpe (wie sie in z.B. in Baggern zu finden ist und von einem Dieselmotor angetrieben wird) und zwei in der Höhe justierbaren Auf- resp. Abfahrrampen. Über die Hydraulik werden sowohl die Rampen bedient wie auch auf jeder Seite der Fähre zwei grosse Räder angetrieben, über welche die Kabel laufen, und die die Fähre ans Zielufer ziehen. Eine simple und robuste Lösung.
Es gibt hingegen zwei technische Gründe, die für eine Fähre und gegen den Bau einer Brücke sprechen. Erstens die Hochwasser: wenn der Murray so richtig hoch daherkommt, ist er an gewissen Orten viele hundert Meter breit. Da würden Brückenlager mindestens überschwemmt wenn nicht sogar unterspült, denn der Untergrund ist Schwemmmaterial. Zweitens die Schifffahrt auf dem Murray River, die eine hohe Brücke, eine Zug- oder Drehbrücke bedingen würde.
Die Murray Princess, ein Raddampfer im alten Stil
Das Problem ist allerdings nicht neu. Die Swing Bridge in Sale (East Gippsland) dreht sich seit 1883 um den Mittelpfeiler und ermöglicht so den Flussschiffen die Durchfahrt.
Obwohl: unter einer swing bridge hatte ich bisher etwas anderes verstanden, musste aber meinen Irrtum in Sale korrigieren, wenn man Wikipedia als Referenz heranzieht.
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