Samstag, 16. Mai 2015

Halbjahresbilanz, Teil 1

Wie wir unsere Reise durch Australien planen • Welches die Highlights der ersten 6 Monate waren • Woher die Red-Back-Spider ihren Namen hat • Wie man eine Radmutter löst, die nicht gelöst werden will.

Am 17. November sind wir in Melbourne gelandet. Halbzeit. Gelegenheit für einen Rückblick — ich bin noch den Bericht schuldig, wie wir unsere Route durch Australien gestalten —, für eine paar kritischen Analysen und für einen Ausblick. Der besseren Lesbarkeit halber in mehrere Posts aufgeteilt.

Weil Klima und Wetter beim Reisen stets eine entscheidende Rolle spielen, sowohl bei der Planung wie bei der Ausführung, will ich zuerst kurz darauf eingehen.
(Randnotiz: Das Wetter ist der tatsächliche Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt, z.B. in Broome, WA, am Dienstag, 12. Mai 2015, um 14:00 Uhr. Das Klima ist das durchschnittliche resp. das statistisch zu erwartende Wetter an einem Ort im Jahresverlauf; daraus kann man grob ableiten, wie das Wetter z.B. in Broome Mitte Juni sein wird. Langfristige Reisen legt man typischerweise aufgrund des Klimas in die Geographie, während das Wetter resp. die Wetterprognose kurzfristige Routenanpassungen nahelegen oder gar forcieren kann (Hitzewelle, Regenfront, Strassensperrung, etc).

Aufziehendes Gewitter über der NSW-Küste

Rückblickend sind wir mit unserer Reiseroute und mit dem Wetter (siehe oben) sehr zufrieden, auch wenn es meist etwas kälter und nasser war, als es für praktisch alle Regionen typisch gewesen wäre (Klima, siehe oben ;-). So fielen einige geplante Aktivitäten indirekt dem Wetter zum Opfer, weil Strassen, Wanderwege oder Tauchreviere beschädigt und deshalb gesperrt waren. Da wir Nässe und Kälte nicht gleich ausgesetzt sind, wie wenn wir mit dem Velo reisen, liess sich das ziemlich leicht verschmerzen, denn auf der Haben-Seite war es fast überall, wo wir hinkamen, grün. Bäume, Sträucher und Gräser blühten, Kängurus, Vögel und Insekten freuten sich. Auch hatten wir kaum unter der Hitze zu leiden, denn ausser drei oder vier Tagen mit 40°C hatten wir meist Tagestemperaturen zwischen 25 und 35°C und Nachttemperaturen zwischen 12 und 20°C.

Der November war geprägt vom Besuch bei unserer Freundin Nicole auf der Coromandel Peninsula in Neuseeland, sowie von der Wiedereingliederung unseres Reisemobils in den Strassenverkehr von Melbourne.
In Neuseeland war es meist kühl und windig, aber der Holzofen in Nicoles Haus sorgte für behagliche Tage. Wir verbrachten viel Zeit mit ihr und durften sogar das Haus besichtigen und kommentieren, das sie zu kaufen gedachte. Mittlerweile ist sie dort eingezogen.
In Melbourne verbrachten wir fast drei Wochen bei Dave und Robyn. Trotz unseres Protests überliessen sie uns ihr Schlafzimmer (“master bedroom”) und — ohne Protest — verwöhnte uns Robyn mit den köstlichsten Speisen. Schliesslich hatte unser Auto die Quarantäneinspektion passiert, hatte eine Versicherung, und zahlreiche Baustellen waren u.a. mit Peters Hilfe beendet, sodass wir am 4. Dezember wohlausgerüstet losziehen konnten: Wir haben jetzt einen dritten Sitz in der Führerkabine (für einen Reiseführer oder Besucher); pressen das Wasser beim Füllen mithilfe einer elektrischen Pumpe durch ein Keramik-Aktivkohle-Filter in den Trinkwassertank (lagert man unbehandeltes Wasser in der Wärme, wächst allerlei Zeug); pumpen unsere Reifen mit einem Onboard-Kompressor auf (eine gute Fahrradstandpumpe haben wir aber weiterhin dabei!); duschen mit solar oder elektrisch erwärmtem Wasser aus dem isolierten Druckwassertank (den Druck liefert das Reserverad) und haben Strom für 5 bis 8 Tage stationären Betrieb (die zweite Batterie laden wir nur beim Fahren).

Mäxli, Nicole, Jeannine

David, Chloe, Robyn, Tuki

Aus Tümpelwasser wird Trinkwasser

Dezember und Januar verbrachten wir östlich von Melbourne und meist südlich von Sydney. Der Hintergrund dieser Routenwahl liegt in den klimatischen Gegebenheiten: der Süden von Australien ist zwischen November und März am schönsten, während der Norden in der tropischen Zone liegt und am besten von Mai bis September bereist wird, weil es sonst zu heiss und zu nass (viele Strassen gesperrt) ist. Eine Schwergewicht unserer Reise ist Westaustralien, das wir noch überhaupt nicht kannten. Dort wiederum wurde uns von allen Seiten die Kimberley-Region im Nordwesten empfohlen, speziell die Gibb River Road, eine 660 km lange 4x4-Strecke, die oft erst ab Mai befahrbar ist. Im Nordosten Australiens (Cape York) ist August die beste Reisezeit, während man das Zentrum mit Vorteil im Juni oder im September besucht (in Juli und August sind Frostnächte keine Seltenheit). Somit war die grosse Route eigentlich bestimmt: im Uhrzeigersinn mehr oder weniger entlang der Küste mit Abstechern ins Landesinnere. Diese Planung ist also sehr grob, sie ordnet jedem Monat ein ungefähres Wegstück zu. 18’000 km sind wir bisher gefahren.

Klick' mich!

Die Highlights von Dezember und Januar waren all die Nationalparks in NSW (u.a. Murramarrang, Blue Mountains, Wollemi), abwechslungsreiches Camping und spannende Wanderungen; die Zeit in Sydney, Mudgee und Canberra; Offroad-Fahren in Victoria (mein Hunky-Dory-Blog); Camping am Lake Hume und Murray River. Speziell zu erwähnen sind all die angepeilten Cafés, die fast ausnahmslos wirklich guten Kaffee brauen und durch eine kreative, frische Küche auffallen. Hinzu kommen die hervorragenden Restaurantbesuche in Sydney: alles Restaurants, die keine Michelin-Sterne besassen und dennoch — oder gerade deshalb — ein anderes und unvergessliches Esserlebnis bescherten. Die Tipps dazu stammten praktisch immer aus dem Lonely Planet Guide.

Murramarang NP

Blue Mountains NP

Avocado Hummus Toast

Anfang Februar waren wir zurück in Melbourne für 10 Tage und verbrachten mehr Zeit mit unseren Freunden David und Robyn, Peter und Catherine. Die Weiterreise am Freitag den 13. verlief nicht ganz so glatt: nicht nur verlor ich  meinen Schlüsselbund mit allen Fahrzeugschlüsseln (Hunky Dory), sondern wir fuhren auch direkt in eine Sturmfront an der Great Ocean Road hinein (überraschenderweise war davon bereits am nächsten Tag nicht mehr viel zu spüren). Die Great Ocean Road ist immer wieder einen Besuch wert, ebenso wie Adelaide. Highlights waren die Weintouren per Veloziped im Coonawarra-Gebiet und im Barossa-Valley, sowie die zwei Tage im Gawler Ranges Nationalpark. Einen ganzen Tag verbrachten wir mit der Suche und Behebung eines elektrischen Defekts (Hunky Dory, nur für Nerds!).



Red-Back-Spinne (giftig)

Im März machten wir den Sprung durch die Nullarbor-Wüste nach WA. Als erstes zwang uns der Cyclone Olwyn zu einem Ausweichmanöver nach Norden (Kalgoorlie), was wir aber keineswegs bereuen, doch bekamen wir Olwyns Ausläufer im Süden später immer noch zu spüren. Der Cape Le Grand Nationalpark war fabelhaft, und die riesigen Bäume um Pemberton überwältigend. Schlicht unglaublich war, dass man drei sogenannte Fire Lookout Trees an einem einzigen Warnschild vorbei einfach so besteigen konnte, denn man klettert ohne Sicherung über 50 m in die Höhe. Margaret River hielt, was uns vielfach versprochen wurde: wir verwöhnten uns kulinarisch und önologisch … und erst noch auf dem Velo. Das Camping-Highlight war die Cactus Beach.

Minentour Kalgoorlie (J9's Blog)

Lucky Bay, Cape Le Grand NP

Ohne Netz und Sicherung, wo sonst vor jedem nassen Stein gewarnt wird

Der April begann mit Ostern, wo alle Australier, die es irgendwie einrichten können, noch einmal ein verlängertes Spätsommerwochenende einlegen. Die Strassen sind verstopft, alle Campingplätze auch. Unsere Strategie war: wenn alle aus Perth (1.9 Mio Einwohner) herausströmen, dann gehen wir nach Perth. Besonders Freemantle hat uns gefallen, aber auch die Stadtteile Northbridge und Mount Lawley, die viele schöne (und gute!) Cafés bieten. Von Perth ging es weiter nach Norden. Ein unerwartetes Highlight war Nambung Station, wohin wir eigentlich nur gelangten, weil unsere Karte eine Landstrasse zeigte, wo in Wirklichkeit nur ein Karrweg ist. Am Samstag Nachmittag half ich dort Brian beim Beton-Mischen und Fundament-Giessen, am Sonntag landete er mit seiner Cessna auf der Farm-eigenen Landepiste und holte uns zu einem Rundflug über die Pinnacles ab. Ein weiteres Highlight war das Tauchen und Schnorcheln am Nigaloo Reef mit teilweise sensationellem Camping. Über die Fliegen habe ich ja schon geschrieben ….

Francois Peron NP

Waroora Station

Buschmechanik (Hunky Dory)

Der Mai begann mit einem Cyclone (dem hoffentlich letzten der Saison), der über Exmouth hinwegfegte, das wir soeben verlassen hatten. Die ersten Tage im Karijini-NP waren deshalb nass, aber das Visitor Center im Park zeigte im Rahmen eines Events Outdoorfilme, was uns bestens passte. Die Gorges (Schluchten), die man teilweise im Badetenue erforscht, waren toll. Ein Camping-Highlight war ein freies Camping östlich vom Karijini-NP. Dafür sind die Campingplätze in der Stadt Broome eher berüchtigt als berühmt, sodass wir uns für eine Alternative ausserhalb der Stadt entschieden: das Broome Bird Observatory. Eine Oase der Ruhe, in der man erst noch etwas lernen kann.




Fortsetzung im Teil 2.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen