Samstag, 25. Juli 2015

Der Eisenerzhafen in Port Hedland, WA

Wie 2 Mio t Eisenerz pro Tag aufs Meer kommen • Wie lang ein Zug mit 248 Waggons ist • Was ein Schiffslotse kostet, der mit dem Helikopter an Bord kommt • Wer die Seafarers Mission ist.

Dass Australien einer der grössten Rohstoffproduzenten resp. -lieferanten der Welt ist, habe ich bereits mehrfach erwähnt. Der grösste Exportposten 2013/14 war Eisenerz mit 75 Mia. Dollar (Quelle). Wenn man das so liest, dann ist es nicht mehr als eine Zahl. Was es genau bedeutet, Eisenerz im Wert von 75 Mia. Dollar ausser Landes zu schaffen, kann man in Port Hedland im Nordwesten Australiens erfahren.

Port Hedland (20’000 Einwohner) ist nicht der der einzige Eisenerzverschiffungshafen Australiens, dafür der weltgrösste, und was hier jeden Tag abgeht — im wörtlichen Sinne — ist schier unglaublich. Port Hedland in der heutigen Form ist eine Retortenstadt, die nur existiert, weil sie einen geschützten natürlich Hafen bietet, der über einen (ursprünglich) natürlichen Kanal im Meeresboden auch von den grössten Schiffen angelaufen werden kann. Im Lauf der Zeit wurden die Schiffe grösser, der Hafen mehrmals ausgebaut und der Kanal ausgebaggert. Heute bietet der Hafen 16 Anlegestellen für Erzfrachter, die 200’000 Tonnen Erz transportieren können. Diese Frachter sind bis 330 m lang, bis 60 m breit und haben einen Tiefgang bis über 18 m (beladen). Damit sie während der Ebbe im Hafen nicht auf Grund setzen, sind alle Anlegestellen zusätzlich ausgebaggert.

Annotiertes Satellitenbild (Google Earth)

Verladen wird hier vor allem Eisenerz aus der Mine in Newman, das über eine eigens gebaute Eisenbahnlinie 426 km aus dem Landesinnern herangefahren wird. Pro Stunde fahren mehrere Züge von 2.6 km Länge ein (248 Wagen, ca. 30’000 t Erz). Zusätzlich wird Erz aus näher gelegenen Minen via Road Trains herbeigeschafft. Die Road Trains haben vier Anhänger und sind um die 50 Meter lang. Im Tagesdurchschnitt fahren 320 solche Road Trains ein, das Tagemaximum liegt bisher bei 628 (über 10.5 Stunden verteilt, wäre das einer pro Minute …). Das Erz wird zuerst einmal auf grosse Haufen gekippt und später mit unterirdischen Bändern an die Anlegestellen der Frachtschiffe gefördert.

Beladen

Das Beladen eines Schiffs dauert 24 bis 48 Stunden, wobei die ersten zwei Drittel der Ladung rasch geladen werden (ca. 2.5 Tonnen pro Sekunde = 1 Range Rover), darauf folgt das trimming, bei dem die Wasserlinie des Schiffs so eingestellt wird, dass das Schiff längs und quer gerade liegt. Am Schluss sind zwei Drittel des Schiffs unter Wasser.

Das Schiff ist erst zur Hälfte beladen, die Wasserlinie noch nicht ideal

Alle präsentierten Zahlen sind zwar eindrücklich, aber die grösste Leistung, die hier täglich vollbracht wird, ist, die Riesenschiffe sicher und rasch durch den Tiefwasserkanal in den Hafen hinein- und hinauszubringen. Dies kann nur während der Flutperiode (zweimal täglich) geschehen. Jede Minute zählt, und die Effizienz bestimmt, wie viel Erz während einer Flut den Hafen verlässt. Und das geht so:

  • Weit ausserhalb des Hafens (16 km resp. 42 km) warten die leeren Schiffe vor Anker auf ihren time slot. Bei unserem Besuch waren 38 Eisenerzfrachter in der Warteschlange.
  • Wenn die Zeit gekommen ist, nimmt ein Schiff Kurs auf den mehrere Kilometer langen Tiefwasserkanal. Kurz vor dem Einlaufen in den Kanal wird per Helikopter ein Lotse der Hafenbehörde auf das Schiff abgesetzt — der Kapitän gibt zwar weiterhin die Kommandi an seine Crew, aber der Lotse allein bestimmt den Kurs des Schiffs (ein sehr gut bezahlter Job, übrigens). Das Schiff wird dabei von einem Lotsenboot geführt. 
  • Der Tiefwasserkanal ist zwischen 170 und 300 m breit, macht aber unterwegs ein “Knie”, sodass es mit für die bis 60 m breiten Schiffen äusserst eng wird. Würde ein Frachter beim Ein- oder Auslaufen im Kanal auf Grund gehen, wäre der Kanal für alle Transits blockiert. Es könnte Wochen dauern, bis ein festgelaufenes Schiff frei kommt. 

  • Läuft das Schiff ins Hafenbecken ein, kommen drei weitere Lotsenboote zu Hilfe; der Kapitän ist jetzt arbeitslos. Die Lotsenboote wenden das noch leere Schiff nun im Hafenbecken, sodass sein Bug aus dem Hafen heraus zeigt, und bugsieren es an die Anlegestelle, wo es vertäut wird.


Die Lotsenboote stossen oder ziehen abwechslungsweise, um das Schiff zu drehen

Es kann immer nur ein Frachter im Hafenbecken verkehren. Daher kommt auch der Zeitdruck: während das Wasser hoch genug steht, müssen fünf volle Schiffe den Hafen durch den Tiefwasserkanal verlassen und fünf leere Schiffe vom Ankerplatz auf See durch den Tiefwasserkanal in den Hafen gelotst, gewendet und angelegt werden. Fünf volle Schiffe, das sind 1 Mio t pro Flut oder 2 Mio t Eisenerz pro Tag! Praktisch alle Schiffe nehmen Kurs nach China.

Die Hafengebühren liegen offen: der Lotse kostet für Schiffe der gezeigten Klasse $15’954.45, der Ankerplatz pro Stunde $423.30, das Beladen $1.50 pro Tonne.

Möglich wurde unser Einblick in diese einmal mehr gigantische Operation dank der Seafarers Mission, einer weltweiten Organisation, die Seeleute während ihres Hafenaufenthalts betreut. Denn während das Schiff beladen wird, erhält die Mannschaft in kleinen Gruppen ein paar Stunden Landurlaub. Die Seafarers betreiben ein Shuttleboot, das die Runde durch den Hafen macht, die Seeleute beim Frachter abholt und an Land bringt, wo sie von einem Bus zum Seafarers Centre gefahren werden.


Die Mission ist zwar eine christliche Organisation, kümmert sich aber um die Seeleute aller Glaubensrichtungen und Nationen. In der Mission gibt’s einen Shop mit den Produkten, die die Seemänner zu kaufen wünschen, mit Telefon, Internet, Fernseher, Zeitungen, Games Room, Seelsorge, Dusche, Betten, etc. — alles, was man halt so braucht, wenn man nach ein paar Wochen auf See wieder mal vom Schiff darf.


Bei unserem Besuch war Milchpulver sehr beliebt (gelbe Säcke)

Die Besucher-Tour durch den Hafen von Port Hedland reist auf dem Bus und dem Shuttleboot mit. Die Besatzungen waren an diesem Tag vorwiegend Chinesen, Seefrauen haben wir keine gesehen.


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